Von smarten Windel und anderer tragbarer Elektronik

Egal ob Computerbrillen oder smarte Uhren: "Wearable Electronics" haben gerade Hochkonjunktur. Selbst für Babys gibt es sie in Japan mittlerweile.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling

Egal ob Computerbrillen oder smarte Uhren: "Wearable Electronics" haben gerade Hochkonjunktur. Selbst für Babys gibt es sie in Japan mittlerweile.

Warum einfach, wenn es auch umständlich geht? Nach diesem Motto tastet sich gerade die Elektronik an die Haut des Menschen heran. Die Uhr wird zur "Smart Watch" und damit zum Aktivitätenmesser aufgerüstet, der alles mögliche nicht wirklich befriedigend kann – oft nicht einmal gut lesbar die Zeit anzeigen. Brillen werden mit Displays ausgestattet, um uns Informationen und im nächsten Schritt virtuelle Realitäten vor unsere Augen zu führen. Meine bisherigen Tests solcher im wahrsten Sinne des Wortes Head-Mounted-Displays haben mich nicht davon überzeugt, dass dies für mehr als Spezialanwendungen taugt. Nun läuft mir in Japan die nächste Idee über den Weg, die ich eigentlich schon für ausreichend gelöst hielt: die smarte Windel.

Wenn sich der Plan einer Gruppe von Wissenschaftlern verwirklicht, können Mama und Papa künftig auf dem Smartphone checken, ob ihr Baby wegen einer feuchten Windel weint. Ermöglicht würde dies durch einen flexiblen RFID-Chip, der Feuchtigkeit misst und schnurlos den Befund an eine Lesereinheit überträgt. 30 organische Transistoren, Dioden und andere Teilchen wurden dafür auf ein Polymermaterial aufgebracht.

Eine Besonderheit daran ist ein elektrostatischer Schutz – und das aus einem einfachen Grund: Die Forscher sehen uns vor einer Zeitenwende. Sie wollen uns mit diesem Chip auf die Pelle rücken. Bisher hätten solche "Tags" auf Waren geklebt, erklärte der Forscher Takayasu Sakurai im japanischen Magazine "Tech-On". "Aber sie werden immer häufiger an Menschen angebracht werden."

Abgesehen davon, dass sich die Technik noch im Entwicklungsstadium befindet und der Chip maximal über ein paar Zentimeter Entfernung mit dem Lesegerät kommunizieren kann, bezweifele ich seinen Nutzen im Alltag von Eltern. Wenn der Säugling schreit, muss man ihn schon in die Hand nehmen. Und eine Geruchsprobe oder ein rascher Blick zeigen verlässlich den Zustand der Windel. Denn sie verfärben schon jetzt ihre Farbe, wenn der Säugling in sie pinkelt. Zudem muss ich nicht über jeden Pups via Smartphone informiert werden. Kurz, ich erkenne bei einem großen Teil der tragbaren Technik noch nicht das Potenzial für eine Killerapplikation, wie es das Smartphone selbst war. Das hat unser Leben ja wirklich verändert. Zudem: Wie viel näher will ich die Technik eigentlich noch an der Haut haben?

In professionellen Anwendungen wie in der Altenpflege dürfte es allerdings anders aussehen. Dort können diese neuen Verfahren die Pflege rationalisieren. Dies ist auch ein Grund dafür, dass sich Japans kommerzielle Roboterentwickler wie Toyota und Panasonic auf Automaten fokussieren, die in Krankenhäuser und Pflegeheimen zum Einsatz kommen können.

Eine interessante tragbare Technik, die ich mir wirklich als Ergänzung meines Haushalts vorstellen könnte, ist dagegen eine neue Brille von Panasonic. Sie sieht so ähnlich aus wie eine Heimkino-/Videospielbrille vom Erzrivalen Sony. Aber in ihr sind keine Bildschirme eingebaut, sondern verglichen mit den hochfliegenden Hightechprodukten recht dumme Technik für die Gesichtspflege. Es handelt sich nämlich um eine Augen-Entspannungsbrille. Setzt man sie auf, badet sie die Augen des Anwenders über Minuten oder Stunden in einer 38 bis 40 Grad warmen und befeuchteten Luft.

Interessanterweise vermarktet Panasonic dieses Produkt nicht nur für Frauen. Auf der Homepage der Japaner lässt sich ein wie ein westlicher Geschäftsmann aussehendes Modell die Augenringe wegdampfen. Das scheint mir eher ein gutes Beispiel für nützliche, tragbare Lifestyle-Technik für die gehetzten Großstädter und Internet-Süchtigen zu sein, bei denen Augenringe zum Statussymbol geworden sind. (bsc)