E-Book-Reader: Neues vom "Kindle"

Amazon-Chef Jeff Bezos meint es ernst mit elektronischen Büchern: Trotz unbekannter Erfolgszahlen soll das Lesegerät Kindle weiter stark beworben werden. Geplant ist außerdem der Verkauf außerhalb der USA.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Ben Schwan

Niemand weiß, wie gut sich Amazons Lesegerät für elektronische Bücher, genannt "Kindle", derzeit verkauft. Absatzzahlen nennt der E-Commerce-Riese, der seit dem vergangenen Jahr Millionen in das Projekt investiert hat, derzeit nicht. Klar ist nur eines: Firmenchef Jeff Bezos sieht in dem E-Book-Reader kein Nebenprodukt und gibt gerne des Cheerleader für die Technologie, die seiner Meinung nach möglichst bald das gedruckte Buch ablösen soll. Das machte er jetzt noch einmal auf der IT-Branchenkonferenz D6 im kalifornischen Carlsbad deutlich. Er könne sich ohne Probleme vorstellen, dass das Gerät einmal einen "signifikanten Teil" des Amazon-Geschäfts ausmachen werde, sagte er im Gespräch mit dem Wall Street Journal-Journalisten Walt Mossberg. Man plane "in Jahrzehnten", werde zahlreiche Versionen des Kindle vorstellen, sagte Bezos. Der Weg vom papierenen zum elektronischen Buch ist für den Manager demnach ausgemachte Sache – und ähnele gar dem Weg vom Vierbeiner hin zum Benzinmotor. "Die Leute liebten damals doch auch ihre Pferde. Trotzdem reitet heute niemand mehr zur Arbeit."

Nächster Schritt bei der Vermarktung des Kindle soll eine Internationalisierung des Angebots werden. Bezos sagte, man werde die aktuelle Nur-US-Strategie überdenken. Es liefen Verhandlungen mit Mobilfunkunternehmen anderer Länder, die dann die Aufgabe der Verteilung der elektronischen Bücher über ein eigenes Netz, von Amazon "Whispernet" genannt, übernehmen sollen. Um welche Regionen es sich handelt, sagte Bezos aber nicht. Über das Whispernet werden in den USA alle Buchtitel direkt kabellos an den Kindle übertragen. Der Nutzer zahlt dabei nur für das Gerät und den jeweiligen Buchtitel, Internet-Kosten fallen nicht an.

Bis es soweit ist, dass bei Amazon wirklich die elektronischen Bücher den Ton angeben, liegt trotz der geplanten Auslandsexpansion noch ein steiniger Weg. Einen Grund, warum Amazon keine Kindle-Verkaufszahlen nennt, wollte Bezos nicht angeben. Die Signale sind undurchsichtig. Einziges Indiz für einen ordentlichen Absatz: Bis April war der Kindle ausverkauft und musste nachproduziert werden – eine Tatsache, die Amazon groß auf seiner Homepage kundtat. Vor einigen Tagen kündigte das Unternehmen dann allerdings an, den Preis für den E-Book-Reader um 40 Dollar auf 359 Dollar abzusenken – normalerweise kein Zeichen für ein bombiges Geschäft. Bezos betonte in Carlsbad, man habe das nicht aufgrund von Absatzproblemen getan, sondern um Einsparungen bei den Produktionskosten an die Kundschaft weiterzugeben. Kritiker sehen darin allerdings einen Beweis für die Tatsache, dass der Kindle grundsätzlich zu teuer bepreist war.

Eine schnelle zweite Variante des Kindle ist unterdessen nicht geplant – trotz viel Kritik an der Bedienbarkeit des Geräts, die man aber laut Bezos durchaus konstruktiv sehe. Eine Nachbesserung kann allerdings mit Hilfe von Software-Updates erfolgen. Die Konzentration beim Kindle soll laut Bezos weiter bei der Funktion als E-Book-Lesemedium liegen. Das verwendete "E-Ink"-Display, eine Art elektronische Tinte, sei etwa für das Internet eher schlecht geeignet.

Immerhin: Der E-Book-Absatz scheint bereits recht gut zu laufen. So sollen von den 120.000 Buchtiteln, die derzeit für den Kindle angeboten werden, im Amazon-Regelverkauf immerhin sechs Prozent bereits auf die digitale Version entfallen. Die Titelauswahl ist für die Nutzer allerdings zum Teil frustrierend, weil bei weitem nicht alle wichtigen Verlage vertreten sind.

Die Strategie hinter Amazons E-Book-Hype ist für Branchenbeobachter glasklar: Der E-Commerce-Riese will sein Kerngeschäft, das noch immer im Handel mit physischen Medien liegt, zunehmend digitalisieren und damit bei der Zustellung hohe Kosten sparen. Im Bereich Musik und Film läuft dies schon recht gut: Mit Amazon MP3 hat der E-Commerce-Händler inzwischen einen Konkurrenten für Apples iTunes-Musikladen aufgebaut, während man mit dem Dienst Unbox auch Videos absetzt. Einen digitalen Filmvermietdienst über das Internet (Pay per View) kündigte Bezos bei seinem D6-Auftritt für die nächsten Monate an. (Ben Schwan) / (jk)