Was hinter dem Pixel steckt

Neben der Spur

Seit Google Street View Deutschland mit gefährlichen Bildern von Bürgersteigen und Fassaden überschwemmt, lassen Hausbesitzer verpixeln. Und andere lassen notieren, welche Häuser verschwommen sind.

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Es ist schon ein übles Zeug, dieses Google Street View. Nachdem es nun seit zirka einer Woche erschreckend realistische Bilder von Bürgersteigen und merkwürdig verschwommenen Gesichtern, Autoschildern und sogar Gebäuden bietet, ist die Welt um einen Schrecken reicher. Zum einen ist das System erschreckend zäh und lässt einen wirklich nur durch Städte laufen, zum anderen könnte man zum Ergebnis kommen, die Welt sei zumindest in den 21 deutschen Orten erschreckend langweilig. Da gehört es schon zu den Sensationen, dass ein unverpixelter Hund über das Trottoir läuft.

Aber das ist schon gut so. Jede Aufgeregtheit in Oberstaufen (das immerhin den Anfang der schlimmsten Selbstentblössung seit Erfindung des Telefonbuchs machte) wäre auch fehl am Platze. Und man versteht auch nicht immer, warum alle Gesichter verwischt sind, denn das hat sichtlich Software gemacht, und so kann es passieren, dass sogar Werbegesichter trübe vom Plakat blicken.

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Zu schade, Werbung möchte in Google Street View scheints anonym bleiben (Bild: Google)

Nun finden das ein paar Zeitgenossen nun aber doch ein bisschen kindisch. Sie finden, dass man auch auf anderen öden 3D-Seiten die Gebäude sehen kann, die sich datenschutzbewusste Bundesbürger schützen haben lassen. Gut, kann man sagen, es ist ja kein Argument, etwas sein zu lassen, nur weil das an anderer und etwas unbekannterer Stelle schon egal ist. Genauso gut könnte man ja Nachbars Äpfel vom Baum holen, weil es die anderen auch tun.

Den ganz anderen Weg gehen nun freilich die Damen und Herren von Compuccino, einer Kommunikationsagentur aus Berlin. Das Projekt Finde das Pixel macht aus dem Versteckspiel von verpixelten Häusern eben ein Spiel. Mache mit und suche die versteckten Äpfel in Deutschland. Man meldet schon mehr als 8.750 gefundene Häuser, die nur noch schemenhaft in Street View zu sehen sind. Compuccino ist übrigens auch für das Design des Tagesschau Blogs und die Umsetzung der Kampagne Wir sind Aussteiger verantwortlich. Was sind wir alle froh, dass sich da keiner verpixeln liess. Das würde der Agentur vermutlich ein wenig von ihrer Existenzberechtigung nehmen.

Aber gut. Der Spass mit den wubbeligen Häuserfronten geht weiter. Alle suchen mit. Und Menschen in Landsberg, Dorfen und was-weiss-ich-wo sind ein wenig enttäuscht. Sie können sich weder pixeln lassen (denn die zugeordneten Aufnahmen sind von Privatmenschen gemacht und werden nicht bearbeitet), noch haben sie einen Wagen, der im Vorbeifahren knipst und ihre Häuser einem Sicherheitsrisiko aussetzt.

Jetzt, wo schon eine Kofferattrappe aus dem süwestlichsten Afrika das politische Klima in der Republik entzünden kann. Am besten wir lassen uns alle komplett verpixeln. Das macht Deutschland so unattraktiv, dass nicht einmal mehr Attrappen das Land erreichen wollen. Auch Terroristen haben schliesslich ihren Stolz.