Solarstrom für Deutschland aus Afrika

Ein Konsortium unter Führung der Münchner Rück will 400 Milliarden Euro in Solaranlagen in Afrika investieren

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Im Sonnengürtel Nordafrikas soll bald Solarstrom für deutsche Haushalte produziert werden. Die Süddeutsche Zeitung berichtet heute, dass 20 Unternehmen als Konsortium Sonnenkraftwerke für 400 Milliarden Euro bauen wollen, womit es sich um eine der größten privaten Ökostrom-Initiativen aller Zeiten handeln soll. Geführt werde das Projekt von der Münchener Rück. Die bestätigte den Bericht in einer Pressemitteilung und schreibt, "die großindustrielle Nutzung der Sonnenenergie in den Wüsten Nordafrikas muss keine Utopie bleiben" (siehe dazu auch Apollo 2.0).

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Mit solarthermischen Kraftwerken in der Größe der in die Karte eingetragenen Gebiete ließe sich der Strombedarf der Welt oder Europas abdecken. (Bild: Desertec)

Der weltgrößte Rückversicherer gibt auch Details bekannt. Der Strom soll nicht über Photovoltaikanlagen produziert werden, sondern aus "solarthermischen Kraftwerken" kommen und "aus Nordafrika über neue Gleichstrom-Hochspannungsnetze nach Europa" transportiert werden. Er soll "im nachhaltigen Energiemix der Zukunft eine entscheidende Rolle einnehmen" heißt es in der Erklärung weiter, mit dem die Münchner Rück für "eine CO2-arme Energieversorgung" wirbt.

"Wir wollen eine Initiative gründen, um in den nächsten zwei bis drei Jahren konkrete Umsetzungspläne auf den Tisch zu legen", sagte das Vorstandsmitglied der Münchner Rück Torsten Jeworrek. Am 13. Juli würden die beteiligten Firmen zur konstituierenden Sitzung in München zusammenkommen. Zu dem Konsortium sollen auch der Kraftwerksbauer Siemens, Deutschlands zweitgrößter Energieversorger RWE und die Deutsche Bank gehören. Es sollen aber weitere europäische und nordafrikanische Partner für das Projekt gewonnen werden. "Bei Italien und Spanien sind wir sehr optimistisch, auch aus Nordafrika bekommen wir viele positive Signale", sagte Jeworrek.

Für die spanische Regierung könnte das Projekt eine Argumentationshilfe sein, um mit dem versprochenen Atomausstieg zu beginnen und trotz des großen Drucks der Atomlobby die Lizenz des Schrottreaktors Garoña im Juli nicht zu verlängern. Bei Frankreich sei man skeptisch, weil die Franzosen mit dem Bau von weiteren Atomkraftwerken noch immer stark auf Atomenergie setzten, meint Jeworrek. Die positiven Signale aus Italien sind eigentlich erstaunlich, schließlich will das Land den Franzosen vier neue Atomkraftwerke abnehmen. Nimmt man in Rom also wieder Abstand von diesen Plänen?

Das neue Projekt heißt "Desertec". Es setzt auf solarthermische Anlagen, die über Spiegel das Sonnenlicht bündeln, ein Spezialöl erhitzen. Wie in einem konventionellen Kraftwerk wird damit Wasserdampf erzeugt und damit werden Turbinen angetrieben. Das ist ein wesentlicher Vorteil, da die Energie gespeichert werden kann und nicht, wie bei Photovoltaik-Anlagen, der Strom direkt ins Stromnetz eingespeist werden muss. Die spanische Firma Abengoa setzt seit langem auf "Concentrated Solar Power" (CSP). Sie hat im April das zweite CSP-Kraftwerk in Südspanien in Betrieb genommen. Werden beim Prototyp PS-10 624 Spiegel eingesetzt, sind es beim PS-20 schon 1255 Heliostate, die jeweils eine Fläche von 120 Quadratmetern aufweisen. Das neue Solarturmkraftwerk übertreffe die erwartete Energieausbeute von 20 Megawatt (MW) sogar noch, gab die Firma bekannt. Im Vergleich zum PS10 wurden der Wärmetauscher, Kontroll und Betriebssysteme sowie das Wärmespeichersystem verbessert. In den USA will Abengoa 2011 das weltgrößte Solarkraftwerk mit 280 MW ans Netz gehen lassen und in das Projekt werden 800 Millionen Euro investiert.

Angesichts des Investitionsvolumen von 400 Milliarden Euro zeigt sich, welch riesige Anlagen in "politisch stabilen Ländern" Afrika gebaut werden sollen, damit sie 15 % des europäischen Stroms erzeugen können, wie die Münchner Rück angibt. Zwar haben Anlagen in der Sahara einen höheren Wirkungsgrad, aber man bekommt eine Vorstellung, wenn man sich die Größe geplanter spanischer Anlagen anschaut. Solnova I und III, mit jeweils 50 MW und einer Spiegelfläche von jeweils 300.000 Quadratmetern, werden jeweils 120 Hektar Land bedecken.

Die Münchner Rück geht davon aus, dass der Strom aus Desertec "in zehn bis 15 Jahren" wettbewerbsfähig sein werde. Zu Beginn, denn in zehn Jahren soll der erste Strom fließen, brauche es für eine "gewisse Investitionssicherheit, zum Beispiel eine Abnahmegarantie zu einem bestimmten Preis", sagt Jeworrek. Eine dauerhafte Subventionierung lehnte er ab.