Carmen Ortiz unter Druck

Die Bundesstaatsanwältin, die viele Amerikaner für den Tod von Aaron Swartz verantwortlich machen, fiel auch in anderen Fällen durch einen Mangel an Verhältnismäßigkeit auf

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Dem bekannten Rechtsanwalt Harvey Silverglate zufolge sollte der am 11. Januar durch Selbstmord aus dem Leben geschiedene Internetaktivist Aaron Swartz nach dem Willen der örtlich zuständigen Strafverfolgungsbehörden für den rechtlich umstrittenen massenhaften Download von Artikeln aus der JSTOR-Datenbank lediglich verwarnt werden. Erst als die Bundesstaatsanwältin Carmen Ortiz den Fall übernahm, drohte sie mit einer langjährigen unbedingten Gefängnisstrafe. Diese Drohung war nach Ansicht von Aarons Vater Robert Swartz ursächlich für den Tod seines Sohnes verantwortlich.

Gründe für Ortiz' Vorgehen sieht Silverglate in einem Aufsatz für die Fachzeitschrift Massachusetts Lawyers Weekly zum einen in extrem schwammigen Gesetzen, die ihr so etwas erlauben, und zum anderen in einem rechtsstaatsunangemessenen Übereifer, der auch in anderen Fällen der Bundesstaatsanwältin zum Vorschein kommt. So wollte die 57-Jährige, die bis vor Kurzem als demokratische Kandidatin für den US-Senat gehandelt wurde, beispielsweise einen Familienbetrieb in Tewksbury entschädigungslos enteignen, weil in dessen Motel innerhalb von 14 Jahren (in denen etwa 196.000 Zimmer vermietet wurden), 15 Drogengeschäfte stattfanden, obwohl sich die Familie bereit erklärt hatte, mit der Polizei zusammenzuarbeiten.

Der Versuch scheiterte zwar an der Magistratsrichterin Judith Dein, verursacht aber derzeit trotzdem US-weites Aufsehen, das nicht nur den Ruf nach einer Ablösung von Ortiz, sondern auch den nach einem besseren Schutz von Bürgern vor staatlicher Willkür verstärkt: Eine Petition gegen Ortiz wurde mittlerweile von fast 50.000 Personen mitgezeichnet und die Electronic Frontier Foundation (EFF) hat einen Novellenentwurf zum Andenken an Swartz veröffentlicht, der vage Begriffe und Definitionen in den Gesetzen über den Missbrauch von Computern und Computer-Netzwerken konkretisieren und es unmöglich machen soll, bloße Verstöße gegen Nutzungsbedingungen als Schwerverbrechen zu verfolgen.

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Carmen Ortiz (Bild: U.S. Department of Justice)