Kaltreserve: Muss das sein?

Netzbetreiber werfen Reservekraftwerke an. Ob das wirklich notwendig ist, bleibt offen

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Alle Jahre wieder. Seit Anfang der Woche werden Reservekraftwerke in Anspruch genommen. Zur Begründung heißt es, dass zu viel Windstrom im Netz sei. In den Medien und von den Übertragungsnetzbetreibern werden die Kraftwerke meist als Kaltreserve bezeichnet, der Fachinformationsdienst IWR weist jedoch auf eine Begriffsverwirrung hin. Die Bundesnetzagentur unterscheide zwischen der Kaltreserve, die aus alten Kraftwerken bestünde, die innerhalb eines halben Jahres wieder angeworfen werden können, und Reservekraftwerken, die von den Netzbetreibern im Bedarfsfall abgerufen werden können, um das Netz zu stabilisieren.

Um Letztere handelt es sich zur Zeit. Mit dabei sind neben dem hessischen Kraftwerk Staudinger 4 auch wieder zwei österreichische Kraftwerke, deren Leistung sich deutsche Unternehmen vertraglich gesichert haben. Die Reserve, so heißt es, sei vorsorglich in Bereitschaft gebracht worden, da im Norden in dieser Woche besonders viel Windstrom anfällt.

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Deutsche Stromein- und ausfuhren in der ausgehenden Woche. (Bild: Agora Energiewende)

In wie weit das tatsächlich notwendig und gerechtfertigt ist, lässt sich derzeit schwer nachvollziehen. Bei einem der letzten Fälle dieser Art, der sich am 8. und 9. Dezember 2011 ereignete, hatte sich Monate später herausgestellt, dass E.on auf den Betrieb einiger Gaskraftwerke verzichtet hatte, die die Situation hätten entschärfen können (siehe Einsatz der Kaltreserve war vermutlich überflüssig).

Ein Blick auf die Daten über Stromproduktion und -verbrauch, die die [http://www.agora-energiewende.de/service/aktuelle-stromdaten/stromerzeugung-und-verbrauch/?tx_agoragraphs_agoragraphs[controller]=Graph Agora Energiewende] seit Neuestem übersichtlich aufbereitet, zeigt jedenfalls, dass in den letzten Tagen in Deutschland kein Mangel an Strom geherrscht hat. Es wurde kräftig exportiert, doch etwas anderes war diesmal ja auch nicht behauptet worden.

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Nachfrage schwankt viel stärker als Sonenn- und Windstrom. Teilweise verhält sie sich regelrecht eratisch. (Bild: Agora Energiewende)

Aber an den Daten in der zweiten Grafik lässt sich auch ganz gut ablesen, dass es in der Bereitstellungen von Ökostrom auch keine schnellen Schwankungen gegeben hat, wie ein Forendiskutant am Donnerstag als mögliche Ursache angenommen hatte. Erstaunlich plötzliche Entwicklungen scheint es hingegen im Verbrauch gegeben zu haben. Insbesondere am Donnerstag fiel die Last zwischen 17 und 18 Uhr um beachtliche 16 Gigawatt ab. Dass dies nicht zu einem Netzzusammenbruch geführt hat, lässt vermuten, dass es um dessen Stabilität doch nicht so schlecht bestellt ist, wie die Gegner der Energiewende die Öffentlichkeit gerne glauben machen wollen.

Interessante Betrachtung am Rande: Mit der Darstellung auf der neuen Plattform liegen nun endlich auch Informationen über die Stromproduktion aus Biogas im handlichen Format vor. Wie man der zweiten Grafik entnehmen kann, werden diese Anlagen praktisch als lauter kleine Grundlastkraftwerke betrieben, was ziemlich unsinnig ist. Viel besser wäre, wenn sie mit Windkraft- und Solaranlagen derart koordiniert werden könnten, dass sie die Übergänge glätten und Lücken auffüllen. Nötig wären hierzu Gasspeicher oder besser noch die Reinigung und Einspeisung ins Gasnetz, sodass Biogas- und Stromproduktion getrennt werden könnte. Das Biogas könnte dann moderne Gaskraftwerke, möglichst in Kraft-Wärme-Koppelung, antreiben.