Hongkonger wollen freie Wahlen

Demonstranten wollen sich Regierungschef nicht länger von Beijing vorsetzen lassen

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Eine Woche ist es her, dass in Hongkong, der ehemaligen britischen Kolonie, die nun als ökonomisch und politisch mehr oder weniger autonome Region zu China gehört, ein Wahlgremium einen neuen Chief Executive gewählt hat, was in etwa mit Regierender Bürgermeister zu übersetzen ist. Der Millionär und Immobiliengeschäftsmann Leung Chun Ying machte das Rennen. Doch beruhigt haben sich die Gemüter noch immer nicht. Am Sonntag demonstrierten nach Angaben der Veranstalter 15.000 Menschen durch das Herz der Finanz- und Handelsmetropole. Die Polizei sprach von 5.300 Teilnehmern.

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Protestcamp vor dem Tagungsort am 24. März, dem Vorabend der Wahl. (Bild: W. Pomrehn)

Der Protest der Menge richtet sich vor allem gegen die Art der Wahl. Viele Hongkonger, aus Kolonialzeiten eigentlich gewohnt, dass über ihre Köpfe hinweg von auswärtigen Mächten über ihre Geschicke bestimmt wird, fordern endlich allgemeine und freie Wahlen. Leung war von einem 1200köpfigen Gremium mit knapper Mehrheit gewählt worden, das sich zum größten Teil aus Vertretern von Wirtschafts- und Berufsverbänden sowie ernannten Mitgliedern zusammensetzt. Meinungsumfragen und eine von Bürgergruppen selbst organisierte Wahl, an der 220.000 Bürger trotz intensiver Hackerangriffe auf die benutzten Webseiten teilnahmen, hatten immer wieder gezeigt, dass weder Leung noch seine beiden Gegenkandidaten in der Bevölkerung viel Unterstützung haben.

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Hongkongs Finanzbezirk. Im Vordergrund das Kongresszentrum, in dem Leung das Wahl-Komittee tagte. (Bild: W.Pomrehn)

Schon am Samstag und Sonntag letzter Woche hatte es daher Demonstrationen mit einigen tausend Teilnehmern gegeben. Was die Menschen besonders aufbringt, ist die Tatsache, dass im Hintergrund ganz offensichtlich die Regierung aus Beijing (Peking) ihre Fäden zieht. Die Zentrale hatte lange Zeit Leungs Gegenkandidaten Henry Tang Yin Yeng favorisiert. Als dieser sich jedoch mehr und mehr in Skandalen verstrickte, wurde in den Tagen vor der Wahl den Komitee-Mitgliedern signalisiert, dass Beijing gerne Leung auf dem Posten sehen würde. Dem wird übrigens eine Mitgliedschaft in der KP nachgesagt, was dieser allerdings verneint. Letzteres muss jedoch nicht unbedingt etwas heißen, denn Chinas Regierungspartei agiert in Hongkong weiter klandestin, das heißt, sie tritt zu keinen Wahlen an und ihre Mitglieder bekennen sich in der Öffentlichkeit in der Regel nicht zu ihr.