Rekordschmelze auf Grönland

Die arktischen Gletscher schrumpften in 2010 in Rekordtempo. Wissenschaftler beschreiben positive Wechselwirkungen, die künftig das Tempo weiter beschleunigen könnten

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Auf Grönland ist im vergangenen Jahr so viel Eis verloren gegangen, wie noch nie, seit dem dort systematisch beobachtet wird. Das haben europäische und US-amerikanische Wissenschaftler bereits im Oktober 2010 nach dem Ende Schmelzsaison festgestellt. Eine Kombination aus ungewöhnlich warmen und trockenem Winter 2009/2010 sowie einem sehr warmen Sommer 2010 habe zu den höchsten Schmelzraten seit mindestens 1958 sowie der längsten Schmelzperiode und der größten Ausdehnung des Gebietes, in dem Eis schmilzt, seit mindestens 1978 geführt. Es gäbe inzwischen klare Beweise dafür, dass der Eisverlust sich seit der Jahrtausendwende beschleunigt habe.

Wie man auf einer 8084/amsr/amsre.html: Seite der Uni-Bremen sehen kann, sind auch in diesem Winter die Küsten vor Westgrönland bisher noch weitgehend eisfrei, obwohl dort das Meer längst mit dickem Eis bedeckt sein sollte. Die vom Goddart Instituts for Space Studies der NASA aufbereiteten Daten zeigen (siehe Grafik) den Grund dafür: Auch in diesem Winter war es in dieser Region der Arktis – wie in vielen anderen – bisher viel zu warm. Auch die Ostküste Kanadas sollte übrigens zu dieser Jahreszeit längst vereist sein, ist aber nach den Bremer Satellitendaten zu urteilen noch völlig frei.

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Temperaturanomalie im Dezember. Gezeigt wird die Abweichung der Temperatur vom für die jeweilige Region bekannten Mittelwert der Dezember der Jahre 1951 bis 1980. (Bild: GISS NASA)

Ein Team belgischer, niederländischer und US-amerikanischer Wissenschafter hat sich nun näher mit den Mechanismen des beschleunigten Abschmelzens der Gletscher befasst und die Ergebnisse im Journal Environmental Research Letters veröffentlicht. Demnach hat nicht nur die wärmere Luft, sondern in den kritischen Küstenregionen Westgrönlands auch ein vermindertes Albedo, das heißt, eine geringere Reflektivität der Gletscheroberfläche zum hohen Masseverlust beigetragen.

Die Eisoberfläche ist nämlich deutlich dunkler als Schnee und nimmt daher mehr Sonneneinstrahlung auf, was das Tauen beschleunigt. Dadurch, dass das Eis früher und länger als normal vom Schnee befreit war, sei auch mehr abgetaut. Die Wissenschaftler beschreiben damit eine Wechselwirkung, die in einem wärmeren Klima zu einer (weiteren) Beschleunigung des Gletscherschwunds führen kann.

Die Projektionen des Meeresspiegelanstiegs im letzten IPCC-Bericht, wonach dieser bis zum Ende des Jahrhunderts um maximal 59 Zentimeter gegenüber dem Niveau von 2000 ansteigen wird, basieren übrigens darauf, dass die Veränderungen der Gletscher in Grönland und in der Antarktis sich nicht beschleunigen. Das hatten einige beteiligte Wissenschaftler schon 2007 bei der Verabschiedung des Berichts kritisiert, fanden aber seinerzeit wenig Gehör. Die seit dem veröffentlichten Abschätzungen verschiedener Wissenschaftler gehen davon aus, dass eher mit einem Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter bis zum Ende des Jahrhunderts zu rechnen ist.

Korrektur:

Oben war zunächst eine Grafik gezeigt worden, die die Verhältnisse im Winter 2009/2010 wiedergab. Seinerzeit waren die Temperaturen in der kanadischen Arktis und auf Grönland bereits ähnlich stark nach oben von den Mittelwerten abgewichen wie im Dezember 2010 gewesen.