Flüchtlinge: Pingpong mit Bürgerkriegsopfern

Piraten fordern, dass Hamburger Behörden Verantwortung übernehmen. Derweil kämpfen in Tunesien die vergessenen Opfer des Bürgerkrieges im Nachbarland um einen Platz zum Leben

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Italien und Deutschland, beides NATO-Staaten, die schnell zur Hand waren, als es galt, den libyschen Bürgerkrieg zu eskalieren, spielen derzeit Pingpong mit den afrikanischen Opfern ihrer bellizistischen Menschenrechtspolitik. Italien schickt sie mit Taschengeld und Reisedokumenten in den Norden, hier wird ihnen jedoch die Arbeitserlaubnis verweigert und Unterstützung gibt es auch nicht. Die Behörden möchten sie am liebsten wieder in den Zug gen Süden setzen, berichtet die tageszeitung aus Hamburg.

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Protest in Hamburg. Gemeint ist Hamburgs Oberbürgermeister Olaf Scholz, SPD. (Bild:  CC BY 3.0 (A. Gerhold, PIRATEN))

Im dortigen Bezirk Mitte hat die Fraktion der Piraten nun beantragt, dass die Bezirksversammlung sich dafür einsetzen soll, dass für die rund 300 betroffenen Kriegsflüchtlinge Notunterkünfte eingerichtet werden, dass nicht abgeschoben wird und dass die Menschen die Möglichkeit erhalten, sich in Hamburg eine Existenz aufzubauen. Insbesondere fordern die Piraten auch Freizügigkeit sowie den Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Bildung sowie zu medizinischer und sozialer Versorgung. Über den Antrag wird am heutigen Dienstag entschieden.

“Der Bürgermeister und der Bezirk müssen Verantwortung übernehmen für die Menschen. Diese Menschen sind nun mal, nach großem Leid und Elend durch Krieg und Flucht in Hamburg gestrandet. Für diese Menschen sind wir jetzt verantwortlich – egal ob Italien rechtens gehandelt hat oder nicht. Wir können sie nicht zurückschicken wie eine unerwünschte Warenlieferung. Diese Menschen sind, wie auch immer, nun in einer der reichsten Städte überhaupt gelandet und müssen ohne Unterstützung, ohne Geld, ohne medizinische Versorgung auf der Straße leben. Das ist einfach schändlich. Hilfe unkonkret und ohne Taten folgen zu lassen in den Raum zu stellen, zudem an eine Abschiebung zu knüpfen und dann über unsere besondere Verantwortung gegenüber Flüchtlingen zu schwadronieren ist für mich Heuchelei. Das ist eines Hamburger Bürgermeisters, zumal eines sozialdemokratischen, unwürdig.“

Andreas Gerhold, Fraktionsvorsitzender der Piraten im Bezirk Hamburg Mitte

Auf ihrer Seite berichten die Piraten auch etwas ausführlicher über die Situation der Flüchtlinge in Hamburg und fordern zur Solidarität auf.

Während und nach dem Bürgerkrieg in Libyen mussten viele tausend Afrikaner aus dem Land fliehen. Als Ausländer verloren sie als erste ihre Arbeitsplätze und wurden zum Teil auch Opfer gewalttätiger rassistischer Überfälle. Einige Tausend von ihnen landeten in Tunesien gleich hinter der Grenze in einem Flüchtlingslager und wurden dort schon bald erneut Opfer rassistischer Gewalt. Die meisten von ihnen hat das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen seitdem auf Aufnahmeländer verteilt.

Mehrere Hundert hängen aber, wie berichtet, weiter im Lager Coucha fest. Mit Kundgebungen und Hungerstreiks protestieren sie seit Monaten gegen den UNHCR und für eine Umsiedlung in andere Länder. In Tunesien wollen sie nicht bleiben.

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Protest in Tunis Ende März (Bild: wop)

Nun droht ihnen die Schließung des Camps zum Monatsende, ohne dass sie eine realistische Alternative angeboten bekommen. Trotz der schon jetzt harschen Bedingungen, zu denen zum Beispiel die zeitweise Unterbrechung der Trinkwasserlieferungen gehört, wollen sie auch nach der Schließung dort ausharren, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Ein Netzwerk von Solidaritätsgruppen plant für den 20. Juni Protestkundgebungen in verschiedenen europäischen Städten.