NSA-Skandal: Einzelheiten zur Überwachung von Wikileaks enthüllt

Neue Dokumente von Edward Snowden beleuchten, wie westliche Geheimdienste Wikileaks überwachen. Die Seite wollen sie wohl zu einem "feindlichen Akteur" erklären, um weniger Grenzen beachten zu müssen. Und auch über The Piratebay wurde diskutiert.

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NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Der britische Geheimdienst GCHQ (Government Communications Headquarters) hat heimlich Internetseiten mit Verbindungen zu Wikileaks überwacht. Das geht aus Dokumenten von Edward Snowden hervor, berichtet The Intercept, die erste Info-Site des neuen Medienunternehmens von Pierre Omidyar. Auf einer bislang unveröffentlichten Seite aus einem bereits enthüllten Dokument, werde gezeigt, dass der Geheimdienst Tracking-Tools installiere, um die Besucher von Internetseiten zu überwachen. In einem anderen Dokument werde die Frage gestellt, ob Wikileaks – aber auch thepiratebay.org – als "böswillige ausländische Akteure" verfolgt werden dürfen.

Der Folie zufolge verwendet der GCHQ ein System mit dem Codenamen "Anticrisis Girl", um Internetseiten zu überwachen. Dabei kommt demnach auch die freie Webtracking-Software Piwik zum Einsatz. Ein Screenshot zeigt ihre Benutzung auf einer "wikileaks" genannten Website. The Intercept vermutet, dass es sich direkt um die offizielle Domain wikileaks.org handelt, aber dagegen sprechen die abgebildeten Zugriffszahlen. Die bewegen sich bei wenigen Dutzend Visits pro Tag und schnellen nach der Ankündigung einer TV-Serie von Julian Assange auf gerade einmal auf rund 150 hoch. Deutlich wird aber, dass auch US-Amerikaner betroffen sind, in diesem Fall stellen sie sogar die Mehrheit der Besucher.

Der Screenshot aus Piwik

(Bild: The Intercept)

In dem zweiten veröffentlichten Dokument vom Juli 2011 wird The Intercept zufolge eine interne Diskussion zusammengefasst, in der auch die Frage gestellt wurde, ob Wikileaks als "böswilliger ausländischer Akteur" gelten könne. Das würde eine umfangreiche elektronische Überwachung erlauben, ohne dass US-Amerikaner davon explizit ausgenommen werden müssten. Zwar werde für Wikileaks keine Antwort gegeben, aber für das Hackerkollektiv Anonymous sei eine Freigabe erteilt worden. Zielpersonen dürften aber keine US-Amerikaner sein, aber dass sich der Analyst dabei nur zu 51 Prozent sicher sein muss, war bereits bekannt.

Julian Assange hat erst kürzlich auf dem 30. Chaos Communication Congress in Hamburg gesprochen.

(Bild: dpa, Angelika Warmuth)

Darüber hinaus wird aus einer sogenannten "Manhunting Timeline" zitiert, in der die Maßnahmen aufgelistet werden, mit denen "mutmaßliche Terroristen, Drogenschmuggler, palästinensische Anführer und andere verfolgt, gefangen oder getötet werden". Darauf finde sich seit August 2010 mit Julian Assange auch der Gründer von Wikileaks. Die USA drängten demnach darauf, Assange anzuklagen, weil er unerlaubt Zehntausende Dokumente zum Krieg in Afghanistan veröffentlicht hat. Der Eintrag ist überschrieben mit "Vereinigte Staaten, Australien, Großbritannien, Deutschland, Island", laut The Intercept die Länder, auf die Druck ausgeübt wurde.

In dem Bericht wird Julian Sanchez, ein Experte von dem einflussreichen Think Thank Cato Institute, mit der Äußerung zitiert, die neue Enthüllung diene als Erinnerung, dass die NSA quasi einen Blankocheck zur Überwachung von Nicht-Amerikanern habe. Aber selbst wenn einige Maßnahmen sinnvoll seien, könne man nicht Cyberangreifer mit Seiten wie Piratebay oder Wikileaks in einen Topf schmeißen, die von unzähligen US-Amerikanern besucht werden. Das Auftauchen der Filesharing-Seite Piratebay in der Folie zeigt außerdem deutlich, wie weit die Geheimdienste sich von ihrem angeblichen Anti-Terror-Kampf bereits entfernt haben.

Wikileaks hat bereits auf diese jüngste Enthüllung reagiert und die Überwachung scharf kritisiert. Julian Assange ruft die USA dazu auf, einen unabhängigen Anwalt mit der Aufklärung der Vorgänge bei der NSA zu beauftragen. Der US-Geheimdienst und seine Komplizen in Großbritannien zeigten keinen Respekt vor dem Gesetz. Man arbeite nun an einer angemessenen Reaktion und verspreche: "Die Zuständigen werden vor Gericht gebracht." (mho)