Der Käufer hat nie unter Kontrolle, was der Lieferant ihm zusendet

Außer Kontrolle

Die Staatsanwaltschaft Hannover bringt eine neue Definition von "begründetem Anfangsverdacht" auf und führt damit die Idee von Fernverkäufen ad absurdum.

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"Der strafprozessuale Anfangsverdacht bei Käufern der Kategorie 2 wurde von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main bejaht. Dieser Auffassung sind wir beigetreten." So schildert es die Staatsanwaltschaft Hannover, namentlich Herr Fröhlich, in ihrer Pressekonferenz, die bereits jetzt vielfach kritisch betrachtet wird.

Unter "Kategorie 2" versteht man Bilder bzw. Videos, die nicht als Schriften im Sinne der entsprechenden Strafgesetzbuchparagraphen einzuordnen sind, die somit kein strafrechtliches Material darstellen. Weiter führt Herr Fröhlich an, wie sich im speziellen Fall der Anfangsverdacht näher auseinanderdividieren lässt (bei einem ausländischen Anbieter kaufen, "konspirativ" vorgehen) und spricht dann einen Satz aus, der bei der medialen Aufbereitung der Pressekonferenz bisher wenig gewürdigt wird.

"Für die Staatsanwaltschaft Hannover war in diesem Umfang auch entscheidend, dass der Besteller natürlich nie (dieses Wort wird besonders betont) unter Kontrolle hat, welches Material ihm von dem Lieferanten zugesandt wird.... Ob es bei späterer Würdigung um Kinderpornographie handelt oder wie gesagt die Schwelle noch etwas unterschritten ist, lässt sich beim Bestellvorgang noch nicht unter Kontrolle bringen."

Die Überlegung der Staatsanwaltschaft Hannover mutet, gelinde gesagt, seltsam an. Betrachtet man den speziellen Fall, so ist davon auszugehen, dass sich eine Firma, die mit dem Vertrieb von Bildern und Videos legal Geld verdient, dafür Steuern zahlt usw., auch über die Rechtslage(n) informiert und schon aus reinem Selbstschutz heraus kein illegales Material versendet.

Interessanter ist jedoch die Aussage, dass ein Besteller nicht unter Kontrolle hat, welches Material ihm zugesandt werden wird, als gäbe es nicht auch bei dem betreffenden Unternehmen Bestellnummern und Beschreibungen der Bilder/Filme. Es wäre von dem Unternehmen eher dümmlich, etwas Illegales zu übersenden, wenn zum einen die Strafverfolgung das Unternehmen bereits lange im Visier hat, um eben eine solche Illegalität des Materials zu entdecken, zum anderen aber auch solches Material rein finanziell schon mehr wert wäre (so es bestünde) als legales Material und letztendlich ja sowohl Verkäufer wie auch Käufer rechtlich in Schwierigkeiten bringen könnte.

Die Interpretation, dass die Staatsanwaltschaft Hannover hier meint, dass Material erworben wird, dass erst bei späteren Gesetzesänderungen als illegal klassifiziert wird, ist zwar logisch, ist jedoch bei jedem Kauf, egal ob on- oder offline, zu bedenken. Seit den Gesetzesverschärfungen im Waffenrecht sind z.B. bestimmte waffenähnliche Gegenstände nicht mehr legal zu erwerben, doch waren sie dies vorher, weshalb sie sich noch im Besitz mancher Menschen befinden. Gleiches gilt für die bekannten "Blumenkübel" aus Material, das auf Grund seiner Asbesthaltigkeit nicht mehr legal erhältlich ist und von dem viele nicht einmal wissen, dass es das Ausgangsmaterial des Blumenkübels ist.

Betrachtet man die Überlegung der Staatsanwaltschaft Hannover genauer, so wäre sie letztendlich das Aus für jegliches Ferngeschäft, da ein Käufer niemals zu 100% sagen kann, dass der Lieferant ihm auch das Gewünschte schickt. Folgt man dieser Logik, so müsste bei dem Rocker, der versehentlich von der Staatsanwaltschaft Oldenburg Drogen aus der Asservatenkammer zugesandt bekam, aus diesem Grund eine Hausdurchsuchung anberaumt bzw. ihm angeraten werden, dass er keine Post mehr annimmt.