Init-Plattform Systemd regelt jetzt Netzwerkverbindungen

Das Init-System für Linux unterstützt jetzt den potenziellen Dbus-Nachfolger Kdbus. Die neue Version führt zudem einen Dienst ein, mit dem Netzwerkschnittstellen konfiguriert werden können.

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Von
  • Thorsten Leemhuis

Ein Dienst, mit dem Netzwerkverbindungen eingerichtet werden können, ist eine der größten Neuerungen des jetzt erhältlichen Systemd 209. Die neue Version der Sammlung mit Software rund um das Hochfahren von Linux-Systemen unterstützt zudem die Interprozesskommunikation mit Kdbus. Dieser im Systemd-Umfeld vorangetriebene und im Kernel angesiedelte IPC-Mechanismus soll mittelfristig D-Bus ersetzen; auf D-Bus greifen Anwendungen sowie Desktop-Umgebungen wie Gnome und KDE derzeit zumeist zurück, um Nachrichten zwischen Prozessen auszutauschen.

Die Kdbus-Unterstützung sei laut Ankündigung praktisch fertig, gilt aber noch als experimentell und muss explizit eingeschaltet werden. Bei den Programmierschnittstellen rund um Kdbus seien nämlich noch Änderungen möglich, solange Kdbus nicht in den Linux-Kernel eingeflossen sei; das kann zwar schon in einigen Wochen der Fall sein, wobei es letztlich noch nicht einmal vollkommen sicher ist, ob es überhaupt passiert. Es fehlt Systemd auch noch an Policy-Definitionen, die festlegen, wie welche Prozesse über die Kdbus-Infrastruktur von Systemd miteinander kommunizieren dürfen. Die Policys sollen in einer der nächsten Versionen folgen, sobald das Kdbus-API festgeklopft sei; bis dahin ist es unsicher, ein System mit Kdbus zu betreiben.

Einer der Entwickler erläutert die Gründe, die zur Entwicklung von systemd-network geführt haben.

(Bild: Tom Gundersen bei Google+ )

Der neue Netzwerkkonfigurations-Dienst systemd-network kann Netzwerkschnittstellen statische Adressen zuweisen oder mit Hilfe von DHCP konfigurieren; zudem kann er Bridges, VLANs und Bonding einrichten. Programmierschnittstellen zur interaktiven Netzwerkkonfiguration aus dem laufenden System gibt es bislang nicht. Laut Ankündigung sei der Dienst eine simple, aber dennoch mächtige Software zur Netzwerkkonfiguration, die sich für den Einsatz im Initramfs, in Containern oder auf Embedded- und Server-Systemen eigne. Der Networkd wurde maßgeblich von Tom Gundersen vorangetrieben, der Ideen, Ansatz und andere Hintergründe in fünf Google+Beiträgen näher erläutert (1, 2, 3, 4, 5). Ähnlich wie die Systemd-Protokollfunktion Journald läuft auch der Networkd als eigener Prozess unabhängig vom Init-Dienst Systemd, der Linux-Systeme in Gang bringt und im Betrieb allerlei Hintergrundarbeiten regelt; an einigen Stellen arbeiten diese und andere Systemd-Komponenten aber eng zusammen.

Die Entwicklung der neuen Systemd-Version hat fast fünf Monate gedauert und enthält vielen neuen Code, wie Hauptentwickler Lennart Poettering in der Freigabe-Mail betont. Dort dankt er 86 Entwicklern für ihre Mitarbeit und erläutert 75 Neuheiten näher. Darunter etwa der für Kdbus geschaffene Unit-Typ "busname" und einige für Container relevante Änderungen. Journalctl unterstützt jetzt den Parameter "--list-boots", der Bezeichner liefert, um Protokolle einer bestimmten Session abzufragen. Neu ist auch eine Udev-Funktion, um Geschwindigkeit, Wake-On-LAN-Einstellungen, MAC-Adresse und anderen Parameter von Netzwerkschnittstellen über Dateien in /etc/systemd/network/ festzulegen. Auch das Werkzeug systemd-socket-proxyd ist neu; es kann bei Zugriffen auf einem bestimmten Port automatisch Netzwerk-Dienste starten, die solch eine "socket activation" nicht selbst beherrschen.

Fedora, Arch Linux, Mageia, OpenSuse und einige andere Linux-Distributionen setzen Systemd schon eine Weile ein. Nachdem ein Debian-Gremium vorige Woche beschlossen hat, Systemd als Standard-Init-System für Debian 8 (Jessie) zu nutzen, soll auch Ubuntu mittelfristig vom hauseigenen Upstart auf Systemd wechseln. Das Debian-Gremium diskutiert derweil noch über die Frage, ob der Distribution beiliegende Software ein bestimmtes Init-System voraussetzen darf. Die Frage ist unter anderem für die Debian-Betreuer von Gnome relevant, denn einige Komponenten des Desktops bieten mehr Funktionen, wenn die Linux-Distribution mit Systemd bootet. Die Desktop-Oberfläche arbeitet aber auch durchaus ohne Systemd, wie Gnome-Entwickler Matthias Clasen kürzlich in seinem Blog klarstellte; als Beispiel führt er dort FreeBSD und OpenBSD an, die auf ganz andere Init-Systeme setzen, sich aber durchaus für moderne Gnome-Version eignen. (thl)