Japan: Regierung zweifelt an Kriegsverbrechen

Japans Regierung stellt Glaubwürdigkeit von Frauen in Frage, die vom japanischen Militär zur Prostitution gezwungen worden waren

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Die japanische Regierung stellt einen Zentralen Bericht über die massenhafte Zwangsprostitution in der japanischen Armee während der japanischen Eroberungskriege in Asien im Vorfeld und während des Zweiten Weltkrieges in Frage. Der Bericht war 1993 von der damaligen Regierung veröffentlicht worden und hatte die Grundlage für eine offizielle Entschuldigung des Landes gegenüber den überlebenden Frauen gebildet.

Nun berichtet die Zeitung Mainichi, dass Chefkabinettssekretär Yoshihide Suga den Wahrheitsgehalt der dem Bericht zugrunde liegenden Zeugenaussagen in Frage stellt. Seine Regierung werde die Glaubwürdigkeit der Frauen überprüfen, die der seinerzeitigen Kommission über ihr Schicksal berichtet hatten. Er betonte allerdings nach dem Zeitungsbericht zugleich, dass die Erfahrung der Frauen unbeschreiblich und herzzerreißend sei. Weitere historische Untersuchungen sei notwendig.

Sugas Position in der japanischen Regierung ist in etwa mit der eines deutschen Kanzleramtsministers vergleichbar, das heißt, er fungiert unter anderem als der Sprecher des Premierministers Shinzo Abe. Seine Einlassungen vor dem Haushaltsausschuss des Parlaments gehen auf eine Forderung der neuen nationalistisch-populistischen Partei Nippon Ishin no Kai (Versammlung zur Erneuerung Japans) zurück. Suga hat am Donnerstag versprochen, den Vorschlag eines Abgeordneten nach Einsetzung einer Untersuchungskommission zu prüfen.

Abe hatte schon während früherer Amtszeiten wiederholt die weitverbreitete Versklavung junger Frauen in den besetzten Ländern bezweifelt, doch die Beweise und die Zeugenaussagen betroffener Frauen unter anderem aus China, den beiden Koreas, den Philippinen und Indonesien sind überwältigend. Belegt werden sie unter anderem auch durch Dokumente niederländischer Behörden über die Vorgänge in der ehemals holländischen Kolonie Ostindien (Indonesien). Insgesamt wird die Zahl der vom japanischen Militär versklavten Frauen, meist verharmlosend "Trostfrauen" (Comfort Women) genannt, auf über 200.000 geschätzt.

Entsprechend sorgten die jüngsten Äußerungen des japanischen Ministers für Empörung bei den Nachbarn. Südkoreas Außenministerium warnte davor, die Narben der Opfer wieder aufzureißen, das Schuldeingeständnis von 1993 in Frage zu stellen und die "Uhr der Geschichte zurück zu stellen".

Eine scharfe Reaktion kam auch aus Beijing (Peking). Hua Chunying, Sprecherin des dortigen Außenministeriums, warnte die Regierung in Tokio, dass "jeder Schritt Japans, seine Verbrechen zu leugnen und seine Geschichte der Aggression auf den Kopf zu stellen auf den Widerstand der Opferländer in Asien und der internationalen Gemeinschaft stoßen" wird. Und weiter in diplomatischer Schärfe: "Wir raten Japan ernsthaft, sich seiner Vergangenheit der Invasion zu stellen, über sie nachzudenken und alle strittigen historischen Fragen einschließlich jener der 'Trostfrauen' angemessen zu handhaben, um nicht den falschen Weg nicht zu weit zu gehen."

Der jüngste Streit um Japans Kriegsverbrechen reiht sich ein in Bemühungen der Regierung Abe, Japan aufzurüsten und das Friedensgebot der japanischen Verfassung zu kippen. Japan befindet sich mit den beiden Koreas, mit Russland sowie mit Taiwan und China im Streit um Hoheitsrechte über verschiedene Inselgruppen. Mit China gibt es außerdem einen Disput um den Verlauf der Grenzen der Ausschließlichen Wirtschaftszonen der beiden Länder, die für die Ausbeutung von vermuteten Bodenschätzen unter dem Meeresboden wichtig sind.