Jugendschutz: Internet-Provider setzen Selbstverpflichtung unzureichend um

Michael Rotert vom Verband der deutschen Internetwirtschaft eco räumt ein, dass die 2008 geschlossene Selbstverpflichtung von den Internet-Providern "in der Fläche" nicht ausreichend umgesetzt wird.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Deutsche Internet-Provider setzen eine freiwillige Selbstverpflichtung in Sachen Jugendschutz nicht ausreichend um. Sie war 2008 vom europäischen Providerverband EuroISPA veröffentlicht worden. Auf Nachfrage von heise online erklärte Michael Rotert, Vorstandsmitglied im Verband der deutschen Internetwirtschaft eco, der damals die Richtlinien mit entwickelt hatte und heute Sprecher der EuroISPA ist: "Die Richtlinien zum Jugendschutz sind nach wie vor relevant, allerdings hapert es bei der Umsetzung in der Fläche." Er will sich deshalb dafür einsetzen, die Richtlinie verbindlicher zu gestalten, etwa als Gütesiegel auf Seiten der Providerverbände. Er erläuterte jedoch nicht, wie dieses gestaltet werden soll.

EuroISPA ging mit den Richtlinien eine Selbstverpflichtung gegenüber dem Europarat ein, wonach Jugendschutzfilter mit Wissen und nach den Vorgaben der Nutzer durchaus eingesetzt werden können. Bislang spricht sich der eco aber strikt dagegen aus. eco-Vorstand Oliver Süme, der überdies auch Präsident der EuroISPA ist, hatte Jugendschutzfilter bei Providern gegenüber heise online lediglich als "Enflugschneise für eine Zensur-Kultur" bezeichnet, jedoch nicht auf die Selbstverpflichtung verwiesen.

In der Selbstverpflichtung zählte die EuroISPA gleichwohl einige weitere mögliche Vorkehrungen auf: So sollen Provider bei Sperren und Filtern erst einmal verifizieren, ob Inhalte illegal sind. Die Provider haben schon heute mit dem Modul der Bundesprüfstelle eine verifizierte Liste. Außerdem heißt es, dass Internet-Service-Provider Informationen über Risiken für Kinder bereitstellen beziehungsweise darauf verlinken können. Sie können außerdem Ratschläge erteilen, was Nutzer tun können, wenn sie auf illegale oder für Kinder schädliche Inhalte stoßen. Außerdem können sie Nutzer beraten, wie sie sich dagegen schützen und welche Software-Tools sie einsetzen können.

Bis heute ist die Selbstverpflichtung nahezu unbekannt. Laut Rotert wurde nur kurz nach der Veröffentlichung evaluiert, welche Provider sich daran halten. Dabei gab es jedoch schon damals wenig Rücklauf. Der eco evaluierte nicht in Deutschland, da der Verband sich nicht dafür zuständig sieht, den Jugendschutz zu überprüfen. "eco ist in erster Linie ein Wirtschaftsverband", erklärte Rotert. Die Bundesländer seien hier verantwortlich.

Gleichwohl scheinen die Provider wenig Interesse daran zu haben, dass die Richtlinien überhaupt bekannter werden. So wurden sie nur in drei Ländern übersetzt, aber nicht in Deutschland. Rotert räumt denn auch ein: "Das Problem war, dass die Guidelines zu freiwillig waren und aus Kostengründen öffentlich wirksam gearbeitet wurde." Heute gelten die Richtlinien zudem als "technisch nicht mehr up-to-date, da unter anderem die sozialen Netzwerke nicht berücksichtigt werden", sagt Rotert. 2011 sollten die Richtlinien überarbeitet werden, doch das scheiterte laut Rotert "an finanziellen Mitteln, die nötig wären, um beim Europarat eine Arbeitsgruppe zu gründen und mit den nötigen Ressourcen auszustatten, um Vorschläge zu erarbeiten." Aktuell besteht diese Gruppe nur aus zwei Personen, unter anderem Rotert.

Erst vor wenigen Tagen stellte sich der baden-württembergische Landesmedienchef Thomas Langheinrich an die Seite seines niedersächsischen Kollegen, der Kinderschutzfilter nach britischem Vorbild bei Providern gefordert hatte. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa sagte Langheinrich, dass Provider wie Telekom, 1&1, Vodafone oder auch Unitymedia gut beraten seien, ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen. (anw)