Keine Verlangsamung der Erderwärmung

Messungen zur globalen Klimaerwärmung sollen präziser werden, indem die Atmosphäre als ganzes vermessen und die Rolle der Aerosole besser verstanden wird.

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Die NASA startet in diesem Jahr gleich fünf Projekte ins All, welche die Datenlage zum Klimawandel verbessern sollen. Ein Schwerpunktthema steht schon fest: die Rolle der Aerosole und ihr lokaler Einfluss als Beschleuniger bzw. Bremser der Klimaerwärmung. Die Klimawirkung der Aerosole wurde bisher kaum erfasst. Die Konzentration auf klassische Treibhausgase und erdgebundene Messungen lieferten zu ungenaue Ergebnisse.

So sorgten seit einiger Zeit die Daten ab 1998 für Erklärungsbedarf. Die globalen Durchschnittstemperaturen haben sich seit 1951 zwar um 0,12 Celsius pro Jahrzehnt erhöht. Aber diese kontinuierliche Erwärmung hat sich seit 1998 auf 0,05 C pro Jahrzehnt verlangsamt - und das, obwohl der Kohlendioxidanteil in der Atmosphäre unvermindert zunimmt und mit 400 ppm bereits ein Niveau wie zuletzt im Pliozän erreicht hat.

Das hatte zu Zweifeln an den vom IPCC veröffentlichten Modellen geführt. Eine neue Studie der NASA kommt jetzt aber zu dem Ergebnis, dass die globale Durchschnittstemperatur in diesem Jahrhundert doch rascher ansteigen wird, als es die oberflächennahen Messungen der letzten 15 Jahre nahelegten.

Drew Shindell, Klimaforscher am NASA's Goddard Institute for Space Studies in New York, veröffentlichte dazu letzte Woche im Fachblatt Nature Climate Change einen Artikel, in dem er zu dem Ergebnis kommt, dass sich die gesamte Atmosphäre um rund 20 Prozent pro Jahrzehnt schneller erwärmt, als die Daten der Messtationen auf der Erdoberfläche der letzten 150 Jahre erwarten lassen.

Bisher schwanken die Klimamodelle bei einer Verdoppelung der Kohlendioxidkonzentration der Atmosphäre (z. Zt. Zunahme von 1 Prozent pro Jahr) in ihren Ergebnissen und der daraus errechneten Klimaerwärmung zwischen plus 1,4°C und 1,0°C (IPCC).

Geschätzte Temperaturanomalien für 2099. Bild: NASA SVS/NASA Center for Climate Simulation

Die Shindell-Studie geht von einer vorübergehende Klimareaktion von 1,7° C und danach von mindestens 1,3°C aus. Der Grund in der unterschiedlichen Bewertung liegt darin, dass die NASA die Rolle der Aerosole aus Gischt, Vulkanen, Waldbränden und Abgasen aus Industrie und Verkehr in der Atmosphäre anders bewertet, wogegen die bisherigen Berechnungen vor allem auf die Auswirkungen der Treibhausgaskonzentration fokusierten.

Allerdings ist die Wirkung der Aerosole komplex. Einige führen zu mehr Erwärmung, andere zu Abkühlung. Außerdem spielt der Einfluss der dichter besiedelten Nordhalbkugel der Erde eine stärkere Rolle, was bisher für Aerosole noch nicht berücksichtigt worden ist. Ein Grund für den unverhältnismäßig großen Einfluss der Nordhalbkugel ist, dass die meisten Menschen und die am stärksten industrialisierten Regionen auf ihr liegen. Ein weiterer liegt in der größeren Landmasse, denn Schnee und Eis reagieren schneller auf Veränderungen in der Atmosphäre als die Ozeane.