Telekomgate: Lauschangriffe nicht mehr ausgeschlossen [Update]
Nach dem Fund einer Mitschnittanlage im Telekom-Krisenzentrum kann die Telekomspitze gezielte Lauschangriffe nicht mehr ausschließen. Telekom-Aufsichtsrat Wegner bestreitet unterdessen Vorwürfe, interne Informationen an die Presse gegeben zu haben.
Nachdem die Staatsanwaltschaft bei einer erneuten Razzia in der Telekom-Zentrale Geräte zum Aufzeichnen von Gesprächen fand, können Lauschangriffe nicht mehr ausgeschlossen werden. Das meldet der Spiegel in seiner nächsten Ausgabe. Die Ermittlungsbeamten fanden die Anlage in einem Raum des Konzernkrisenstabs. Bisher gingen die Behörden lediglich davon aus, dass die Sicherheitsabteilung Gesprächsverbindungen aufgezeichnet hat, um Kontakte und undichte Stellen zu finden. Eindeutige Beweise, dass tatsächlich Telefongespräche mitgeschnitten wurden, fehlen zwar, der Fund der Abhöranlage ist aber ein Hinweis darauf. Würde das stimmen, bekäme der Telekom-Skandal eine ganz neue Dimension. Wie der Spiegel berichtet, schließen ehemalige Top-Manager einen gezielten Lauschangriff ohnehin nicht aus.
Die Sache kam ins Rollen, nachdem Telekom-Chef René Obermann seine Offensiv-Strategie weiterführte und Mitarbeiter dazu aufgerufen hat, jeden Verdacht zu melden. Einer der Hinweise führte zur zweiten Durchsuchung der Zentrale und zum Fund der Geräte. Laut Spiegel bezweifelt Oberstaatsanwalt Friedrich Apostel, dass die Anlage im derzeitigen Zustand zum Abhören tauge. Die Justiz nimmt den Fund jedoch sehr ernst, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass in der Vergangenheit damit illegale Lauschangriffe erfolgten.
Nach derzeitigem Ermittlungsstand geschah die Bespitzelung von Telekom-Mitarbeitern und Journalisten unter anderem deshalb, um undichte Stellen zu finden, die interne Informationen an die Öffentlichkeit gaben. Aufsichtsrat-Mitglied und Konzernbetriebsratsschef Wilhelm Wegner bestreitet in einem Interview mit der Zeitung Tagesspiegel, Aufsichtsratunterlagen an die Presse gegeben zu haben. Sein Name war in diesem Zusammenhang immer wieder zu hören, doch bislang hat sich Wegner zu den Vorwürfen zumindest öffentlich nicht geäußert. Wegner schließt nicht aus, dass auch die Telefone des Betriebsrats überwacht wurden.
Bei der bundesweiten Durchsuchung der Staatsanwaltschaft sind mehrere Lastwagen voll Akten und Daten sichergestellt worden. Die Auswertung dauere noch Wochen bis Monate, so die Bonner Staatsanwaltschaft.
[Update] Mitschnittanlagen in Lagezentren seien durchaus üblich, um im Krisenfall, etwa bei Drohungen, handlungsfähig zu bleiben, so ein Telekomsprecher gegenüber heise online. Ob die gefundenen Geräte nur in diesem Sinne verwendet wurden, oder ob Missbrauch vorgelegen habe, wollen nun die Ermittlungsbehörden ans Tageslicht bringen. Bis dahin gelte die Unschuldsvermutung, so die Telekom.
Siehe dazu auch:
- Merkel will Konsequenzen aus Telekom-Bespitzelungsaffäre ziehen
- Ein Drittel der Telekom-Kunden erwägt Wechsel wegen Abhöraffäre
- Politiker für höhere Strafen nach Telekomgate
- Sicherheitsunternehmen rechtfertigt Journalisten-Beschattung
- Staatsanwaltschaft will bei Telekom-Ermittlungen zügig vorankommen
- Experte fordert nach Telekom-Affäre Kontrolle der Daten durch Kunden
- Telekom nutzte möglicherweise auch Daten der Konkurrenz
- Datenlecks bei T-Mobile
- Telekom droht Geldbuße bis zu einer Million Euro
- Chefregulierer Kurth fordert Telekom zu schnellem Handeln auf
- Bundestag befasst sich mit Spitzelaffäre bei der Telekom
- Telekom-Affäre: Jahrelang ergebnislose Kontrollen
- Spitzelaffäre bislang ohne Auswirkungen auf Geschäfte
- Telekom-Spitzel soll auch für die Bahn gespäht haben
- Schäuble hält Gesetze für ausreichend
- Datenschützer fordert Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung
- Ver.di-Vorstand Schröder kündigt Klage gegen Vorratsdatenspeicherung an
- Datenschutz-Selbstverpflichtung der Telecom-Unternehmen ist umstritten
- Branche fürchtet politische Schnellschüsse
- Telekom-Chef Obermann sucht die Offensive
- Nach Spitzel-Skandal bei Telekom: Streit um schärfere Gesetze
- Telekom-Affäre weitet sich aus
- Datenschutz: Schäuble drängt auf Selbstverpflichtung der Telecom-Branche
- Telekom-Affäre: Aufsichtsbehörden in Erklärungsnot
- Telekom holt Datenschutzexperten zur Aufklärung der Spitzelaffäre
- Abgeordnete fordern Konsequenzen aus Spitzelaffären
- CDU: Telefon-Daten müssen sicher sein, Vorratsdatenspeicherung notwendig
- Journalisten-Verband fordert wirksame Kontrolle von Telecom-Firmen
- In der Telekom-Bespitzelungsaffäre schaltet sich der Bundesinnenminister ein
- "Telekomgate": Wer hat was gewusst?
- Telekom-Spitzelaffäre: Keine Ermittlungen gegen aktive Vorstandsmitglieder
- Konzernzentrale der Telekom von Staatsanwaltschaft durchsucht
- "Telekomgate": Die Deutsche Telekom soll seit dem Jahr 2000 bespitzelt haben
- Telekom soll Spitzel in der Capital-Redaktion platziert haben
- Telekom-Überwachungsaffäre: Frühere Konzernleitung belastet
- Kriminalbeamte fordern zentrale Datenbank für Verbindungsdaten
- Datenschützer sehen schwindendes Rechtsbewusstsein
- Telekom arbeitet mit Hochdruck an Aufklärung der Bespitzelungsaffäre
- Ethikverband: "Krimineller Sumpf" bei der Telekom
- Telekom-Chef Obermann will "harte Konsequenzen" aus Bespitzelungsaffäre ziehen
- DJV nennt Telekom-Bespitzelungsaffäre "Angriff auf Pressefreiheit"
- Telekom-Aufsichtsrat fordert schnelle Aufklärung im Spitzel-Skandal
- Telekom soll eigene Manager bespitzelt haben
(jr)