Kinderporno-Sperren: "Frontalangriff auf die freie Kommunikation" befürchtet

Der schleswig-holsteinische Landesdatenschutzbeauftragte übt scharfe Kritik an den Plänen der Bundesregierung zu Websperren; er erkennt eine "völlig neue Überwachungsdimension". Auch die Internetwirtschaft hat weiter massive Bedenken.

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Der schleswig-holsteinische Landesdatenschutzbeauftragte Thilo Weichert übt scharfe Kritik an den Plänen zu Kinderporno-Websperren. Im aktuellen Gesetzesentwurf, den das Bundeskabinett am morgigen Mittwoch beschließen will, erkennt er eine "völlig neue Überwachungsdimension". Werde das Speichern der Zugriffsversuche und die Weitergabe etwa von IP-Adressen an die Polizei gestattet, könnte eine Vorverlagerung der Verdachtsgewinnung erfolgen, "die Zigtausende von absolut unschuldigen Menschen zu Verdächtigen machen würde".

Letztlich, fürchtet Weichert, könnte sich beim Inkrafttreten der Verpflichtung jeder Kunde eines größeren Providers der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen. Schließlich könne der Nutzer beim Aufruf einer ihm unbekannten Webadresse nicht wissen, ob diese auf der vom Bundeskriminalamt (BKA) erstellten Sperrliste verzeichnet sei oder auf ein entsprechendes Angebot automatisch weiterleite. Die Aufnahme in das Filterverzeichnis durch eine "Verwaltungsbehörde" schaffe zugleich "nicht ansatzweise" echte Rechtssicherheit, ob eine Webseite tatsächlich kriminelle Inhalte enthalte.

Weichert sieht in dem neuen Gesetzentwurf einen "Frontalangriff auf die freie Kommunikation im Internet", zumal das Blockieren von Netzangeboten an sich bereits ein grundrechtliches Problem darstelle. Der Datenschützer rät eindringlich von "Schnellschüssen bei Internetzensur und -kontrolle" ab, da diese eine nicht beabsichtigte explosive Wirkung für die Bürgerrechte, die wirtschaftliche Relevanz elektronischer Medien und die gesamte Gesellschaft entfalten könnten.

Massive Bedenken gegen die Initiative gibt es auch in Providerkreisen. Ein Gesetzesvorhaben sei gegenüber der bislang von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorangetriebenen Vertragslösung zur Zugangserschwernis zwar ein "Schritt in die richtige Richtung", war zu vernehmen. Um der "komplexen Fragestellung" mit ihren zahlreichen rechtlichen Problemen gerecht zu werden, sei aber ein Spezialgesetz erforderlich. Die Bundesregierung verfolgt dagegen hauptsächlich eine Änderung des Telemediengesetzes (TMG). Zudem müsse das Verfahren verbessert werden, mit dem Webseiten auf die Sperrliste wandern. Eine Aufnahme auf das Verzeichnis müsse "Ultima Ratio" bleiben, wenn alle Mittel der Strafverfolgung ausgeschöpft seien. Angebote aus Ländern, die das Cybercrime-Abkommen des Europarats unterschrieben hätten, müssten außen vor bleiben, da dort Kinderpornographie unter Strafe zu stellen sei.

Weiter vermissten Juristen aus der Internetwirtschaft eine Regelung zur Kostenerstattung und haben Bauchschmerzen bei der geplanten Verpflichtung zum Betrieb der Stopp-Seiten durch die Zugangsanbieter. Ein virtuelles Warnschild sei aufgrund der zwangsweise anfallenden Nutzerinformationen wohl kaum datenschutzkonform zu betreiben. Insgesamt handle es sich um einen "mit heißer Nadel gestrickten Entwurf", der offenbar in Wahlkampfzeiten rasch durchs Parlament geschleust werden solle.

Unterdessen ist bekannt geworden, dass es einen eigenen Vorstoß der SPD-Bundestagsfraktion für eine gesetzliche Regelung von Web-Blockaden entgegen früherer Ankündigungen doch nicht geben wird. Die Opposition dürfte aber noch eine Expertenanhörung verlangen.

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (hob)