Fall Hoeneß: Den Vorhang zu, alle Fragen offen

Aus Schweizer Bankerkreisen kommen Vermutungen, dass die Finanzspekulationen des früheren FC-Bayern-Präsidenten mehr verbergen, als bisher ans Licht gekommen ist

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Die Fans des FCB hatten sich dann doch erstaunt über die Summe von fast 30 Millionen Euro gezeigt, wie aus diversen Äußerungen hervorging. Die Gefängnistrafe wurde angesichts dessen als "in Ordnung" oder "korrekt“ gutgeheißen, es blieb die Pauschalerklärung: "Der Uli ist halt ein Zocker" - was die Spekulation mit Millionensummen vorbei am Fiskus irgendwie als Erweiterung des bei den Fußballspielern des Clubs beliebten Schafkopfens auf einem höheren Niveau begreifen ließ, auch wenn sie außerirdische Dimensionen hatte.

Der deutsche Finanzminister klopfte auch noch einmal nach. Die Selbstanzeige sei ein "wirkungsvolles Instrument“, sagte Schäuble der Frankfurter Sonntagszeitung. Gemeinsam mit den Ländern wolle er jetzt die Voraussetzungen für die Strafbefreiung noch weiter verschärfen: Bei Beträgen über 50.000 Euro soll die Strafe noch einmal erhöht werden. Und auch der Zeitraum, für den man in der Selbstanzeige alles offenlegen muss, soll verlängert werde - wie auch die Verjährungsfrist für Einkünfte aus dem Ausland.

Im Schweizer Bankenmilieu stellt man sich indessen andere Fragen: angefangen bei den Vorgesetzten von Hoeneß' langjährigem Investment-Geschäftspartner bei der Vontobel Bank, wo auch die PR-Abteilung derzeit der Frage nachgehen dürfte, wie man den Image-Schaden wieder in Griff bekommt - bis hin in die Fachwelt derer, die im Forex (Foreign Exchange)-Geschäft tätig sind.

Dort werden, wie der Tagesanzeiger berichtet, Zweifel geäußert: Daran, wie es einem Nebenberufs-Spekulanten wie Hoeneß möglich war - neben den zeitaufwendigen Geschäften (oder sind sie es gar nicht?) als Präsident des "weltbesten Fußballclubs" - in diesem hektischen Markt mitzumischen, der doch die ganze Aufmerksamkeit von professionellen Marktbeobachtern beanspruche. "Für einen Hoeness ist es in diesem Markt unmöglich, aus 20 Millionen Mark zeitweise 150 Millionen Euro zu machen. Das ist völlig absurd", wird ein namentlich nicht genannter Banker zitiert.

In diesem Markt seien sonst nur Banken, Investmentfonds, Hedgefonds oder multinationale Konzerne zugange, Teams professioneller Marktbeobachter, die sich "rund um die Uhr" mit diesem Markt beschäftigen, "um die Grundlagen für Investitionsentscheide zu liefern". Es gehe um minimale Zinsunterschiede, die nur mit Einsatz größerer Summen und der Berücksichtigung komplexer Faktoren lukrativ seien. Man könne in diesem Geschäft "nicht zwischen dem Trainingsgelände und dem Büro zum Hörer greifen". "Zwischen Tür und Angel lassen sich keine nachhaltigen Gewinne machen", heißt es. Für Profis sei das schwer, für Laien gar nicht vorhersehbar.

Dass Hoeneß, wie z.B. am ersten Prozesstag bei Nachfragen des Richters zu den Geschäften, nicht unbedingt eine kompetente Figur machte, führt bei den Bankern, mit denen sich die Schweizer Zeitung unterhielt, zu einem Verdacht: "Die Geschichte mit den Devisengeschäften könnte eine Schutzbehauptung sein, um anderes zu verdecken."

Sie deuten Korruption und Geldwäscherei an. Ihre Forderung: Die deutschen Strafverfolger sollten nicht über die Herkunft der Mittel und die Bareingänge respektive Barbezüge hinwegsehen und sich die zehntausenden Seiten, mit denen Vontobel die Geschäftstätigkeit Hoeness’ dokumentiert hat, genauer anschauen.

Möglicherweise fände sich da belastendes Material, man verweist in diesem Zusammenhang auf dubiose Finanzierungsgeschäfte, wie sie etwa beim FC Barcelona im Zusammenhang mit dem Neymar Transfer ans Licht kamen. Die spanische Justiz ermittelt in der Sache wegen Unterschlagung

In der kommenden Woche entscheidet die Münchener Staatsanwaltschaft über eine mögliche Revision des Urteils vor dem BGH.