Medienrechtsforum: Streit um Web-Sperren

Beim Kölner Forum Medienrecht kam es zu einem Schlagabtausch zwischen Gegnern und Befürwortern der geplanten Kinderporno-Sperren. Der Düsseldorfer Regierungspräsident stellte unterdessen Sperrverfügungen gegen ausländische Glücksspiel-Seiten in Aussicht.

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  • Torsten Kleinz

Bei der Jahresauftaktveranstaltung des Kölner Forums Medienrecht ist es zu einem offenen Schlagabtausch zwischen Gegnern und Befürwortern der geplanten Kinderporno-Sperren gekommen. So stellte der medienpolitische Sprecher der nordrhein-westfälischen CDU Thomas Jarzombek die Rechtsstaatlichkeit des Gesetzentwurfs in Frage, NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter unterstützte hingegen das Vorhaben. Der Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen Büssow stellte unterdessen Sperrungsverfügungen gegen ausländische Glücksspiel-Seiten in Aussicht.

In ihrer Ansprache stellte sich Müller-Piepenkötter hinter die Gesetzesinitiative der Bundesregierung. Eine freiwillige Selbstverpflichtung von fünf Providern sei nicht ausreichend: "75 Prozent sind nicht genug". Sie werde die Gesetzesvorhaben der Bundesregierung genau beobachten. "Mein Maßstab ist: Sind die Maßnahmen geeignet und erforderlich? Ich bin überzeugt, das sind sie." Als "Unfug" bezeichnete Müller-Piepenkötter den Vorwurf einer Internetzensur: "Eine Freiheit Kinderpornografie zu verbreiten und zu konsumieren gibt es nicht." Ähnlich sei das Problem im Bereich Urheberrechtsverletzungen. "Es kommt hier zu einer Enttabuisierung, weil es Gleichgesinnte gibt", sagte die Ministerin.

In einer Podiumsdiskussion kam es danach zu einem Schlagabtausch zwischen Gegnern und Befürwortern des Gesetzesvorhabens zum Access Blocking gegen Kinderpornos. So kritisierte Jarzombek die aufgeheizte Debatte: "Derzeit kommt es mehr darauf an, ob man für oder gegen die Sperre ist, nicht ob man seriös oder unseriös ist." An dem vorgestellten Gesetzesentwurf äußerte er heftige Kritik. Für den Abgeordneten ist eine geheime Sperrliste, die alleine vom Bundeskriminalamt erstellt und nicht gerichtlich überprüft wird, kein gangbarer Weg: "Mit Rechtsstaatlichkeit hat das nichts zu tun." Zudem plädierte er dafür, dass die Ermittlungsbehörden verpflichtet werden sollen, die Betreiber der gesperrten Server zu informieren. In diesem Zusammenhang verwies der Abgeordnete auf eine Studie eines Vereins, der Serverbetreiber kontaktiert hatte und 16 Kinderporno-Angeboten innerhalb eines Tages schließen ließ.

Bestätigt wurde dies von Manfred Helmes, stellvertretender Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM). Zwar sei die Quelle der Studie in Frage zu stellen, in diesem Fall stimmten die Behauptungen aber: "Die Dänen könnten ihre Sperrliste mit einfachsten Mitteln halbieren." In Deutschland soll dies wegen der sorgfältigeren Arbeit des Bundeskriminalamts allerdings nicht passieren.

Christoph Fiedler vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger plädierte dafür, dass der Gesetzentwurf wesentlich eingeschränkt werden solle. So ist es aus Sicht des Juristen unabdingbar, dass die Sperre auf ausländische Seiten beschränkt werde. Und bei einem Verbot von Gewaltdarstellungen könnte auch die Kriegsberichterstattung etablierter Verlage betroffen sein. Auch die Einbettung der Kinderporno-Sperren in das Telemediengesetz sieht Fiedler kritisch: "Eine Begrenzung der polizeilichen Inhaltssperren ist nicht logisch und mittelfristig nicht haltbar." Mit der Zeit würden mehr und mehr Tatbestände zu Internet-Sperren führen.

Zum offenen Streit kam es mit dem Düsseldorfer Regierungspräsidenten Jürgen Büssow, der bereits im Jahr 2002 die ersten Sperrungsverfügungen gegen zwei rechtsextreme Webseiten durchsetzte. Den Providern warf er eine Blockadehaltung vor. "Wir haben eine sehr lange Diskussion mit der Internetwirtschaft gehabt – vier Jahre lang. Diese hat in diesen Fälle vollkommen versagt", erklärte der Behördenchef. In seiner Auffassung sieht er sich durch die Justiz bestätigt: "Wir haben 16 Verwaltungsverfahren gewonnen", erklärte Büssow, die Internetwirtschaft habe sich aber auf kein Hauptsacheverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingelassen.

Diesem Vorwurf widersprach Oliver Süme, Vorstand des Verbands der deutschen Internetwirtschaft (eco): "Wir können nur Dinge tun, die das Gesetz uns erlaubt." So hätten alle großen Provider die Bereitschaft versichert, über das bisherige Maß hinaus tätig zu werden. "Die Provider sind nicht aus den Verhandlungen ausgestiegen – im Gegenteil." Zwar seien die Access-Sperren aus Sicht der Provider nicht unmittelbar als Zensur zu werten. "Wir müssen aber alles tun, um den Zensurvorwürfen begegnen zu können."

Im Verlauf der Diskussion kündigte Büssow weitere Schritte an. So beabsichtige er, die Regelungen des Lotterie-Staatsvertrags mit neuen Sperrungsverfügungen umsetzen. "Der Staatsvertrag verpflichtet uns, diese Angebote zu sperren", erklärte Büssow. Seine Behörde habe gerade eine Anhörung zum Thema abgeschlossen und werde bald die Schlüsse daraus ziehen. Die Provider könnten dem aber zuvor kommen, in dem sie die Seiten freiwillig sperrten. (Torsten Kleinz) / (jk)