Achtung, Achtung, hier spricht die Suffizienz-Polizei

Nach der Effizienz soll jetzt die Suffizienz kommen und festschreiben, wie viel Konsum uns zusteht

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Das Wuppertal Institut machte sich vor einigen Jahren einen Namen mit der von Ernst Ulrich von Weizsäcker und Amory und Hunter Lovins propagierten Formel "Faktor 4": einer Kampagne, die Beispiele propagierte, wie aus dem Einsatz an Energie und Rohstoffen mehr gemacht werden kann, beziehungsweise wie mit weniger Ressourceneinsatz der gleiche Nutzwert erreicht wird.

Besonders im Bereich der Gebäudenutzung hat das Konzept eingeschlagen und wurde bei der energetischen Gebäudesanierung zum "Faktor 10" aufgebohrt. Die dort erprobten Techniken sind heute allesamt bereits Standard. Aber vor allem bei den Konsumgütern wie Nahrungsmitteln, Kleidung, Mobilität und der Ausweitung der globalisierten Produktions-, Handels- und Lieferketten haben der Mehrverbrauch und die jetzt ebenso standardmäßig eingebaute Obsoleszenz das Pendel ins Gegenteil schlagen lassen.

Das Wuppertal Insitut versucht seitdem, das Konzept weiterzuentwickeln, und hat sich deshalb der "Energiesuffizienz" verschrieben. Es soll nicht mehr um eine rein technische Evolution gehen. Stattdessen soll eine Art Ethik des Konsumstopps entwickelt werden. Doch wo die Grenzen setzen? Wie viel ist genug an beheizten und beleuchteten Räumen, an Fernreisen - bis hin zu Pedanterien, wie groß denn die Bildschirmdiagonale sein darf, die uns zusteht.

Eine Tagung mit Fokus auf Suffizienz und kommunalem Klimaschutz fand gerade in Frankfurt statt. Unter dem Titel "Energiesuffizienz - Die sozial-kulturelle Dimension der Energieeffizienz" lädt das Wuppertal Institut dann im Mai bei den Berliner Energietagen ein, um zu ergründen, wie man dem Ganzen auch einen weltanschaulichen Rahmen geben kann.

Das Öko-Institut ging in diesem Zusammenhang bereits der Frage nach, wie der für Suffizienz verordnete konkrete Konsumverzicht optimal austariert werden kann, damit die dann subjektiv erst einmal als Einschränkung empfundenen Suffizienzbestimmungen für den bisherigen Hochleistungskonsumenten leichter zu ertragen sein werden. Das klingt teilweise schon wie eine Entziehungskur für Ex-Junkies.

Dabei ist schon jetzt abzusehen, dass auch dieser Ansatz, eine Art technoide Bescheidenheit einzuführen, genauso scheitern bzw. im Sande verlaufen wird wie Ideen vom ökologischen Fußabdruck mit einem Fixbetrag an CO2-Emissionen, die jedem Menschen auf dieser Erde zustehen sollen, oder dem 2-Grad-Ziel, das auf nützliche Weise schon wieder so abstrakt war, dass es der Politik als Argument für Alles oder Nichts vom Ökolandbau bis zur Verlängerung von AKW-Lauzeiten diente und damit letztlich wirkungslos ist.

Da zeichnet sich am Horizont schon der nächste Versuch ab, ein Konzept zu entwickeln, mit dem sich die Forderung nach Weniger und die Abkehr vom Credo, dass maximaler Konsum und maximaler Besitz maximales Glück bedeuten, begründen lassen. Wissenschaftler sprechen von der "Resilienz". Soll heißen, man organisiert sich sein Leben nach den eigenen Interessen auf eine Weise, die es widerstandsfähiger macht gegenüber Krisen des Wirtschafts- und Finanzsystems.

Verfechter wie Niko Paech propagieren in dem Zusammenhang auch den Abschied von der Vollzeit-Erwerbsarbeit, um einen Teil der Zeit für die Selbstversorgung, für Nachbarschaftshilfe, die Reparatur von Gütern oder soziales Engagement zu widmen. Als Nebeneffekt sinke die psychische Belastung der Menschen und es entstehe so eine neue Art von qualitativem Wohlstand.