Österreicher haftet nicht für Filesharing seiner Tochter

Der österreichische Urheberrechtsverwerter LSG ist mit einer Klage gegen einen Bürger gescheitert, über dessen Computer urheberrechtlich geschützte Musikdateien zum Download bereitgestellt wurden.

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Der österreichische Urheberrechtsverwerter LSG ist mit einer Klage gegen einen Bürger gescheitert, über dessen Computer urheberrechtlich geschützte Musikdateien zum Download bereitgestellt wurden. Die minderjährige Tochter des Mannes hatte ohne Wissen ihres Vaters den P2P-Client LimeWire installiert. Die LSG forderte von dem Vater unter anderem eine Unterlassungserklärung und pauschalierten Schadenersatz. Der Belangte ließ die Software löschen, zahlte aber nicht und unterschrieb auch die Unterlassungserklärung nicht. Daraufhin ging die LSG zu Gericht, um eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat diesem Verlangen nicht stattgegeben. Die Entscheidung ist rechtskräftig, die LSG muss die Kosten des Verfahrens tragen.

Zu Mittag des 11. November 2006 waren über den Internetanschluss von Wilfried F. 1.627 Musikdateien mittels LimeWire zum Download bereitgestellt. Der größte Teil der Dateien betraf Unterhaltungsmusik, deren Rechteinhaber die LSG vertritt. Der Rechteverwerter erstattete Strafanzeige, das Landesgericht Wien ermittelte den Nutzer, stellte das Verfahren danach aber ein. Die LSG hatte nun F.s Daten und kontaktierte diesen im Januar 2007 brieflich. Gefordert wurde die Abgabe einer Unterlassungserklärung, Löschung der Musikdateien und der Software, pauschalierter Schadenersatz sowie die Übernahme der Kosten des Einschreitens. F. war zum Zeitpunkt des Urheberrechtsverstoßes im Ausland gewesen, als Computerbenutzerin kam seine 17-jährige Tochter in Frage. Sollte sich herausstellen, dass sie Musikdateien Dritten zugänglich gemacht habe, werde er die Löschung vornehmen lassen, antwortete F. Zu mehr sah er sich nicht veranlasst.

Die LSG war damit nicht zufrieden und erwirkte beim Landesgericht Innsbruck eine einstweilige Verfügung gegen F., mit der diesem verboten wurde, über seinen Internetzugang Musikaufnahmen öffentlich bereitzustellen. Mit Zurverfügungstellen eines Internetanschlusses an Teenager ohne Einflussnahme auf den Gebrauch des Internet habe der Beklagte die Rechtsverletzung bewusst gefördert. Es wäre an ihm gelegen, von Anfang an entsprechende Schritte zu setzen, um eine Teilnahme an Tauschbörsen über seinen Internetanschluss zu verhindern. Die bloße Anweisung an die Tochter, das Programm zu löschen, reiche zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr nicht aus, weil eine neuerliche Installation jederzeit möglich sei.

Das in zweiter Instanz angerufene Oberlandsgericht Innsbruck konnte sich dieser Rechtsansicht nicht anschließen und hob die einstweilige Verfügung wieder auf. Es stellte aber fest, dass der strittige Wert 20.000 Euro übersteigt und daher eine Anrufung des OGH zulässig sei. Die LSG wandte sich auch an den OGH, dieser bestätigte jedoch die Entscheidung der zweiten Instanz (Az. 4 Ob 194/07v).

"Das bloße Zurverfügungstellen des Computers mit Internetzugang schuf zwar eine adäquate Ursache für die spätere Rechtsverletzung, der Beklagte musste aber mangels irgendwelcher Anhaltspunkte nicht damit rechnen, dass seine Tochter bei Nutzung des Internet in Urheber- und/oder Werknutzungsrecht eingreifen würde", führt der OGH aus. Die Funktionsweise von Filesharing-Systemen könne bei Erwachsenen nicht als bekannt vorausgesetzt werden, weshalb F. nicht habe wissen müssen, dass die Daten damit auch anderen zugänglich gemacht würden. "Er war daher auch nicht verpflichtet, die Internetaktivitäten seiner Tochter von vornherein zu überwachen. (...)Damit fehlen aber die Voraussetzungen für eine Haftung des Beklagten als Gehilfen in Bezug auf den Verstoß seiner Tochter im November 2006."

Eine Gefahr der zukünftigen Begehung oder Förderung eines Urheberrechtsverstoßes durch den Vater sieht der OGH nicht, weshalb keine einstweilige Verfügung zu erlassen sei. Auch die Weigerung, mit der LSG einen Vergleich zu schließen oder der Tochter die Internetnutzung zu verbieten, lasse keine Begehungsgefahr vermuten.

"Der OGH-Beschluss, wonach der völlig unwissende Inhaber eines Internet-Anschlusses nicht haftet, ist kein Freibrief. Bei konkreten Hinweisen und natürlich bei Wissen gibt es auch weiterhin eine Haftung", bezog Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des IFPI Austria (Verband der österreichischen Musikwirtschaft), gegenüber heise online Stellung. "Medienpädagogisch ist der OGH-Beschluss problematisch, legt er doch Eltern nahe, aus Haftungsgründen besser wegzuschauen, wenn Kinder im Internet surfen." Richtig wäre aber, über den sicheren und legalen Gebrauch des Internet zu sprechen. "Dann würden sich Fälle wie dieser in Hinkunft erübrigen", glaubt Medwenitsch. (Daniel AJ Sokolov) / (jk)