Billige Chemie dank CO2

Ein Start-up arbeitet an neuartigen Prozessen, mit denen sich das Klimagas effizient zur Herstellung wichtiger Rohstoffe nutzen lässt.

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Von
  • Martin LaMonica
  • Narayanan Suresh

Ein Start-up arbeitet an neuartigen Prozessen, mit denen sich das Klimagas effizient zur Herstellung wichtiger Rohstoffe nutzen lässt.

Wenn es nach der jungen Firma Liquid Light geht, wird das Klimagas CO2, das in Kraftwerken entsteht, in wenigen Jahren zu einem billigen Grundmaterial für die Chemieproduktion. Dazu hat das Start-up ein spezielles elektrochemisches Verfahren entwickelt, das deutlich effizienter sein soll als bisherige Methoden.

Die Firma aus Monmouth in New Jersey hat Anfang März die Fertigstellung eines Prototypsystems angekündigt, das aus Kohlendioxid Ethylenglykol produziert. Dazu ist zusätzlich nur Strom und eine Wasserstoffquelle – beispielsweise schlichtes Wasser – notwendig. Liquid Light schätzt, dass die Herstellung einer Tonne der Chemikalie nur CO2 im Wert von 125 US-Dollar erfordern würde. Greift man zu anderen Rohstoffen wie Öl oder Erdgas, müsste man mehr als 600 Dollar investieren. Noch günstiger wird es, wenn man das Klimagas einfach über bereits existierende Abscheidungstechnologien an Schornsteinen von Verbrennungsöfen oder Generatoren abzapft.

Die Technik von Liquid Light besteht aus mehreren Stufen. In einem ersten Schritt produzierte eine mit einem Katalysematerial überzogene Elektrode ein Oxalat aus zwei Kohlenstoffmolekülen. Ein zweiter Katalyseprozess treibt dann eine Reaktion, um schließlich das Ethylenglykol zu produzieren.

Die Industriechemikalie wird weitläufig eingesetzt – nicht nur als Frostschutzmittel, sondern auch als Vorläuferstoff für Polyesterfasern oder Kunststoffverpackungen.

Der Hauptvorteil der neuen Methode sind die potenziell geringeren Rohstoffkosten. Wenn der Strom aus Erdgas, Atomkraft oder erneuerbaren Quellen kommt, könnte die Produktion zudem wesentlich klimafreundlicher sein als traditionelle Verfahren.

Die Verwendung von Katalysatoren zur Umformung von CO2 zu Chemikalien und Treibstoffen gilt als ein zunehmend attraktives Forschungsfeld, auch wenn es noch zahlreiche technische Hürden gibt. Beispielsweise müssen die Reaktionen noch deutlich schneller und effizienter werden. Ein weiteres Problem sei die Wirtschaftlichkeit, meint Joel Rosenthal, Juniorprofessor an der University of Delaware, der an den Verfahren forscht. Oft benötigten die Prozesse große Strommengen.

Zudem kommt es bei der Verwendung von Metallkatalysatoren oft zur Herstellung weiterer Stoffe, die eigentlich unerwünscht sind, etwa Kohlenmonoxid und Methan. Die lassen sich aber nur teuer wieder abscheiden.

Bei der Technik Liquid Light sei das aber nicht der Fall, so Rosenthal. Hier scheine es zu gelingen, einen kommerziell relevanten chemischen Rohstoff ohne unerwünschte Nebenprodukte herzustellen. "Wenn die Firma Ethylenglykol wirklich selektiv aus CO2 mit einem funktionierenden Reaktionsablauf fertigen kann, ohne dass enorme Energiemengen benötigt werden, wäre das eine ganz große Sache."

Liquid Light verrät derzeit leider noch nicht, welches Katalysematerial verwendet wird. Es sei aber billig, auf längere Zeit stabil und benötige relativ wenig Strom, so das Unternehmen. Das Prototypsystem besteht aus zwei quadratischen Metallplatten, die 90 Zentimeter breit sind und wenige Zentimeter auseinander stehen. Um eine Massenproduktion aufzubauen, müssten mehrere dieser Zellen miteinander kombiniert werden, ähnlich wie man dies von Brennstoffzellen kennt.

Zu den Investoren von Liquid Light zählt der Erdölriese BP. Das Start-up hofft, in den nächsten zwei oder drei Jahren Versuche mit Industriekunden zu beginnen.

Die elektrochemische Herstellungsmethode wäre womöglich eine attraktive Alternative zu petrochemischen Verfahren, meint auch Gary Dirks, ein früherer BP-Manager und heute wissenschaftlicher Berater von Liquid Light. "Man erhält Produkte, die sich aus ölbasierten Kohlenwasserstoffen nicht ganz leicht herstellen lassen, in einem viel einfacheren und billigeren Prozess."

In Zukunft könnten auch erneuerbare Energiequellen wie Sonnen- und Windkraft die Umwandlung von CO2 zu Chemikalien und Brennstoffen treiben. Dies würde dann eine CO2-neutrale Produktion ermöglichen oder gar eine CO2-negative, meint Thomas Jaramillo, Professor an der Stanford University, der sich mit elektrokatalytischen Umwandlungsprozessen beschäftigt. "Hinzu kommt, dass elektrochemische Prozesse ja bereits heute im großen Maßstab angewendet werden." (bsc)