Snowden entzweit NSA-Untersuchungsausschuss

Der Vorsitzende Binninger (CDU) trat wegen der "einseitigen Fixierung" der Opposition zurück

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Kaum hatte sich der NSA-Untersuchungsausschuss konstituiert, tritt schon dessen Vorsitzender Clemens Binninger (CDU und Ex-Kommissar) genervt zurück. Er habe wie im NSU-Ausschuss, wo er als Obmann fungierte, "überparteilich" arbeiten wollen, sagte er in seiner Erklärung aber es habe sich schon bei der ersten Sitzung gezeigt, "dass eine solche sachdienliche Zusammenarbeit aller Fraktionen nicht möglich sein wird".

Die Opposition habe "in den gestellten Beweisanträgen und durch öffentliche Erklärungen zu erkennen gegeben, dass sie von Beginn an ausschließlich die Vernehmung von Edward Snowden in den Mittelpunkt der Arbeit des Untersuchungsausschusses stellen will". Das ist allerdings ein wenig verwunderlich, denn der Wunsch, Snowden nach Berlin zu holen, um ihn zu befragen, wurde von Grünen und Linken bereits zuvor geäußert, für die Snowden der Hauptzeuge ist. Binninger hatte sich allerdings davor auch schon skeptisch gezeigt.

Binninger hat sicherlich recht, wenn er sagt, er wisse nicht, ob Snowden als Zeuge überhaupt dem Ausschuss dienlich sein könne, da dieser selbst gesagt habe, dass er nicht wisse und alles den mit ihm kooperierenden Journalisten übergeben habe. Der Auftrag sei auch viel umfassender. Dass die Union und die SPD Snowden nicht einladen und ihm Schutz gewähren wollen, weil sie den Konflikt mit den USA nicht eingehen wollen, liegt zwar auf der Hand, Binninger äußert sich aber nicht dazu. Grüne und Linke wollen mit einer Einladung Aufsehen erregen, weil dies die Beziehungen der USA zu Deutschland mit Sicherheit brüskieren würde. Allerdings ist unwahrscheinlich, dass Snowden eine Reise riskieren würde, zumal Deutschland weitreichende Schutzmaßnahmen ergreifen müsste, die nicht zuletzt rechtliche Konsequenzen hätten.

Binninger deutet in seiner Erklärung nur an, dass es auch um die "Notwendigkeit einer Zusammenarbeit der Geheimdienste" gehe. Die will man nicht gefährden, was schon darauf schließen lassen könnte, wie tief man überhaupt eben in die Zusammenarbeit der deutschen mit den amerikanischen und britischen Geheimdiensten eindringen will. Zudem würde für ihn die "einseitige Fixierung" zu "Aufgabenkonflikten mit meiner Arbeit als Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums führen". Das hätte er bzw. die Union freilich auch vorher wissen können, wobei allerdings die Frage, warum der Vorsitzende des Kontrollgremiums für die Geheimdienste überhaupt einen Konflikt sieht, wenn es um die Aufarbeitung der Lauschaktivitäten der NSA und deren Zusammenarbeit mit den deutschen Geheimdiensten geht.

Bezeichnend ist, dass sich Binninger ansonsten nicht direkt zum Thema der Einladung von Snowden äußert und diese nur als einseitig und parteipolitisch abtut. Der Grüne MdB Hans-Christian Ströbele, auch Mitglied des Untersuchungsausschusses, geht davon aus, "dass auf die Fraktionen von SPD und CDU sowie den Vorsitzenden des Ausschusses vom Kanzleramt Druck ausgeübt worden ist, um die Vernehmung und Aufklärung durch Edward Snowden im Ausschuss zu verhindern." Das klingt einleuchtend, würde aber das Dilemma der Regierungskoalition nicht durch Benennung eines neuen Vorsitzenden lösen, wenn nicht Binninger selbst vielleicht nicht ganz abgeneigt war, auch eine Einladung von Snowden in Erwägung zu ziehen und er daher als unsicherer Kandidat galt. Es war jedenfalls überzeugt, dass man von den amerikanischen und britischen Geheimdiensten nicht viel erfahren wird.

Der bisherige Unions-Obmann Patrick Sensburg (CDU) und SPD-Obmann Christian Flisek hatten Snowden einen geeigneten Zeugen genannt. Flisek hatte etwa in einem Interview gesagt, Snowden sei "jemand, der natürlich auch als Zeuge in Betracht kommt. Das habe ich immer wieder auch deutlich gemacht. Es wird darum gehen, wie wir ihn dann befragen. Das muss nicht zwingend eine Ladung nach Berlin sein. Das Europäische Parlament hat eine schriftliche Befragung vorgenommen. Wir können eine Videokonferenz eventuell auch erwägen." Die Frage ist, ob auch eine Videokonferenz abgeblockt werden soll. Sensburg wird nun neuer Vorsitzender werden nachfolgen, Obmann der Union soll Roderich Kiesewetter (CDU) werden.