Polnischer Inlandsgeheimdienst lässt Adressdaten von Briefen scannen

Nach einem Testversuch in Posen sollen landesweit mit Scannern Sender und Empfänger aller Briefe mitsamt graphologischen Merkmalen erfasst und gespeichert werden.

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Von
  • Florian Rötzer

Polens größter inländische Sicherheitsdienst ABW erfasst in einem Testversuch im Posener Briefzentrum Absender und Empfänger von Briefen sowie deren graphologische Merkmale erfassen. Die 2002 gegründete Behörde für die Innere Sicherheit ist für Terrorismusbekämpfung, Gegenspionage, Verfolgung von Wirtschafts- und Organisierter Kriminalität und Bekämpfung der Korruption zuständig.

Mit Hilfe eines modernen Scannersystems werden in Posen, wie die Tageszeitung Dziennik berichtete, die Absender und Empfänger sowie deren graphologischen Daten erfasst und an den ABW weitergeleitet werden. Mit diesen Informationen will der Sicherheitsdienst eine Datenbank aufbauen, die es ermöglicht, den gesamten Briefverkehr zu kontrollieren. Der ABW beabsichtigt, die Scanner landesweit in allen Briefzentren der Post einzuführen, was 250 Millionen Zloty (ca. 65 Millionen Euro) kosten würde.

Kritik gab es nicht nur an der Bespitzelung aller polnischen Staatsbürger, sondern auch an den Kaufempfehlungen, mit denen der ABW die öffentliche Ausschreibung für die Scanner beeinflusst haben soll. So bekam die Post für das Posener Briefzentrum vom japanischen Unternehmen Mitsui ein 30 Prozent günstigeres Angebot. Der ABW zog aber die Siemens-Maschinen vor, weil sie weltweit die einzigen sind, die auch eine graphologische Analyse erstellen können, und soll entsprechenden Druck auf das Staatsunternehmen ausgeübt haben. "In Zeiten des Ausnahmezustands besteht eine globale Gefahr. In solchen Fällen besteht die Notwendigkeit einer Briefzensur. Und die Post muss darauf vorbereitet sein", soll es in einer Begründung der Agentur für Innere Sicherheit heißen, die den Vorwurf zurückweist, die Post unter Druck gesetzt zu haben.

Kritiker sagen, dass die Bespitzelung der Briefe aller polnischen Bürger illegal sei und gegen die Verfassung verstoße. Janusz Kochanowski, der Bürgerrechtsbeauftragter des polnischen Staates, und die polnische Datenschutzbehörde kündigten eine Untersuchung der Überwachungsmaßnahme an. Auch die Oberste Kontrollkammer will die Informationsgewinnung des ABW und dessen Rolle bei der öffentlichen Auftragsvergabe der Post unter die Lupe nehmen.

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(fr)