Smart Metering: Ein chronisches Pilotprojekt

Ein wichtiger Baustein der Energiewende sind intelligente Elektrogeräte, die Last aus dem Netz nehmen. Doch die nötigen smarten Stromzähler lassen immer noch auf sich warten.

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Von
  • Annika Graf
  • dpa

Waschmaschinen, die automatisch anspringen, wenn der Strom günstig, ist. Ferngesteuerte Heizungen und Tankstellen für Elektroautos, die gleichzeitig als Stromspeicher fungieren. Der Fantasie der Firmen sind kaum Grenzen gesetzt, wenn es um Anwendungsbeispiele geht, die den Nutzen der Energiewende für den Verbraucher beschreiben. Bislang ist das jedoch in den allermeisten Fällen noch ferne Zukunftsmusik.

Das Problem: Intelligente, digitale Stromzähler, die helfen, den Verbrauch zu steuern, sind in Deutschland im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern noch Mangelware. Zwar ist deren Einbau seit 2010 in Neubauten und grundsanierten Gebäuden Pflicht. Bis 2022 sollen nach der Vorgabe der EU 80 Prozent der Verbraucher mit intelligenten Messsystemen ausgestattet werden. Doch auf klare Vorgaben warten die beteiligten Firmen inzwischen seit Jahren.

Nur in Pilotprojekten wie zum Beispiel in Mülheim an der Ruhr, wo der Stromversorger RWE "Smart Meter" getestet hat, verfügen alle 100.000 Haushalte über intelligente Stromzähler. "Der Rechtsrahmen fehlt in einer endgültigen Ausprägung", erklärt Helmut Edelmann von der Wirtschaftsberatung Ernst & Young.

Schlüsseltechnologie der Energiewende

Dabei gelten sogenannte Smart Meter als eine der Schlüsseltechnologien der Energiewende: Die intelligenten Stromzähler sollen helfen, den Energieverbrauch genau abzubilden und gegebenenfalls sogar zu steuern, je nach dem wie groß das Angebot an produziertem Wind- oder Sonnenstrom gerade ist. Auf diese Weise können Versorger die Stromproduktion auf den tatsächlichen Bedarf abstimmen und Schwankungen in ihren Netzen managen. Tankstellen für Elektroautos oder Nachtspeicherheizungen sollen beispielsweise als Energiespeicher dienen. Die Verbraucher sollen davon profitieren, dass ihre Stromtarife flexibel angepasst werden können.

Doch während andere europäische Länder wie Schweden, Italien oder die Niederlande längst mit dem Ausbau begonnen haben, hinkt Deutschland noch hinterher. Zwar wurden Anforderungen zum Datenschutz schon 2012 definiert, aber erst seit vergangenem Sommer liegt eine vom Wirtschaftsministerium bestellte Kosten-Nutzen-Analyse für den Rollout von Smart Metern in Deutschland der Wirtschaftsberatung Ernst & Young vor. Was nun noch fehlt, sind Verordnungen, die Details sowie Ablauf des Ausbaus regeln und klären, wer die Kosten trägt.

Und wer bezahlt das?

Finanzierungsmöglichkeiten für die in Diskussion befindliche Ausbau-Varianten würden derzeit auf Arbeitsebene sondiert, erklärt eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. Ernst & Young schlägt in seiner Analyse einen mehrstufigen Rollout vor. Die Kosten sollen verteilt werden: Die Nutzer intelligenter Messsysteme würden mit bis zu 72 Euro pro Jahr deutlich mehr belastet als Verbrauchsstellen ohne Smart Meter mit acht Euro pro Jahr.

Die beteiligten Unternehmen hoffen, dass das Verordnungspaket noch in diesem Jahr verabschiedet wird. So steht es im Koalitionsvertrag. Hersteller wie Landis+Gyr warten dringend auf grünes Licht. Während die Firma in Großbritannien bereits Aufträge für Millionen Smart Meter erhalten hat, seien in Deutschland nur Millionen Euro investiert worden, sagt Landis+Gyr-Chef Peter Heuell. "Es wäre gut, wenn der Markt sich endlich in Bewegung setzen würde", so Frank Schmidt, Leiter des Geschäftsfeldes Energie bei der Deutschen Telekom. Firmen wie der Bonner Telekommunikationsriese, aber auch Accenture oder Siemens, wollen ins Geschäft mit IT-Beratung und Abrechnung einsteigen.

Dass der Ausbau mit den Verordnungen dann sofort 2015 beginnen werde, bezweifelt Helmut Edelmann. "Der Rollout startet frühestens am 1. Januar 2016", ist seine Prognose. Denn die Smart-Meter-Hersteller ließen sich zwar derzeit ihre Geräte vom zuständigen Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifizieren, diese müssen dann aber auch erst einmal gebaut werden. Auch die Netzagentur hat noch ein Wörtchen mitzureden.

Bis Verbraucher in den vollen Genuss variabler Tarife kommen, dürfte es deshalb noch dauern: Versorger wie RWE und EnBW wollen die Sprechern zufolge erst anbieten, wenn auch endlich die Technik steht. "Es muss erstmal ein Messsystem da sein", sagt ein EnBW-Sprecher. (pmz)