Fliegender Gerichtsstand bei Internet-Delikten auf dem Prüfstand

Konnten sich etwa Inhaber von Urheberrechten bislang bundesweit ein Gericht aussuchen, bei dem sie eine Einstweilige Verfügung wegen möglicher Rechtsverletzungen im Web beantragen, soll damit künftig Schluss sein.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 116 Kommentare lesen
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Dr. Noogie C. Kaufmann

Sobald Rechtsverletzungen im Web verfolgt werden, können sich Rechteinhaber bundesweit das Gericht aussuchen, bei dem sie ihre Ansprüche einklagen wollen. Da mit der als fliegender Gerichtsstand bezeichneten Möglichkeit in der Vergangenheit Schindluder getrieben worden sei, erwägt das Bundesministerium der Justiz (BJM) nunmehr eine Neuregelung. Dies könnte insbesondere Auswirkungen auf juristische Dispute haben, bei denen es um das unerlaubte Kopieren geschützter Werke oder um Beleidigungen im Internet geht.

Anders als im Offline-Bereich können Einstweilige Verfügungen wegen Rechtsverletzungen im Internet vor jedem deutschen Gericht beantragt werden. Dabei spielt es keine Rolle, wo der Antragsteller oder der spätere Gegner seinen Wohn- oder Gewerbesitz hat. Sitzt der Inhaber von Urheberrechten beispielsweise in Münster und meint, ein Konkurrent aus München habe seine geschützten Fotos kopiert und auf seiner Homepage eingestellt, so kann er die Einstweilige Verfügung auch vor dem Landgericht in Mainz beantragen.

Hintergrund für diese Kuriosität ist Paragraf 32 Zivilprozessordnung (ZPO), wonach überall dort eine Einstweilige Verfügung beantragt werden kann, wo der Schaden eintritt. Da das Web bekanntermaßen keine Grenzen kennt, kann die genannte Urheberrechtsverletzung auf jedem x-beliebigen Rechner in der Bundesrepublik von Dritten zur Kenntnis genommen werden. Somit ist auch jedes deutsche Gericht zuständig.

Da Richter nicht immer einer Meinung sind und ein und derselbe Sachverhalt etwa in Köln anders gesehen wird als beispielsweise in Hamburg, gehen Rechteinhaber naturgemäß immer zu jenem Gericht, welches ihnen wohlgesinnt ist.

Laut BMJ habe dies in der Vergangenheit in nicht wenigen Fällen dazu geführt, dass für begehrte Einstweilige Verfügungen einfach mehrere Gerichte angerufen und deren Reaktion abgewartet wurde. Sobald ein Gericht dem Antrag stattgegeben hatte, wurden die Anträge bei den anderen Gerichten kurzerhand zurückgenommen. Weil die Gerichte nicht untereinander vernetzt sind, hatten die Antragsteller in der Vergangenheit zu gut wie nichts zu befürchten.

Dem will das Bundesministerium nun einen Riegel vorschieben und den fliegenden Gerichtsstand auf konkrete Gerichtsstände zurückstutzen, wie aus einem Schreiben des Ministeriums hervor geht, das heise online vorliegt. So ist angedacht, dass bei Internet-Delikten nur noch jenes Gericht angerufen werden kann, in dem der Rechteinhaber oder der potenzielle Verletzer seinen Wohnsitz hat. (Noogie C. Kaufmann) / (pmz)