Portugal: Mit Geldschwemme zur "erfolgreichen" Rettung

Nach Irland will auch Portugal auf Übergangskredite aus dem Rettungsschirm verzichten, dabei ist das Land viel anfälliger als vor der Nothilfe

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Nachdem der portugiesische Regierungschef Pedro Passos Coelho am späten Sonntag einen "sauberen Ausstieg" aus dem Rettungsschirm angekündigt hatte, wurde er am Montag aus Brüssel zu "extremer Wachsamkeit" aufgefordert.

Der Vizepräsident der Europäischen Kommission Siim Kallas forderte bei der Vorstellung der Frühjahrs-Prognose in Brüssel, Portugal müsse den Reformkurs fortsetzen. Dass man keine Übergangkredite des Rettungsschirms in Anspruch nehme, sei "politisch sehr bedeutsam" und "schaffe Vertrauen bei den Investoren", fügte Kallas an, der EU-Währungskommissar Olli Rehn vertrat. Er persönlich begrüßte die Entscheidung, dass Portugal keine neue Kreditlinie zur Absicherung beantragen will. Insgesamt hofft die EU-Kommission auf eine leichte Erholung mit einem schwachen Wirtschaftswachstum von 1,2%, sieht diese Marke aber auch wegen der anhaltenden Krise in der Ukraine in Gefahr.

Coelho hatte sich bis Sonntag eine Frist zur Entscheidung gesetzt, denn er wollte damit in die Europaparlamentswahlen gehen. Er erklärte in einer Fernsehansprache nach der Kabinettssitzung am Sonntag: "Wir haben diesen Entschluss gefasst, weil unsere Rückkehr an die Finanzmärkte gut aufgenommen wurde, weil wir enorme Fortschritte bei der Sanierung des Staatshaushalts erzielt und unsere Glaubwürdigkeit zurückgewonnen haben." Sein Weg ist umstritten. Staatschef Aníbal Cavaco Silva hatte für Übergangskredite plädiert, um im Fall steigender Zinsen abgesichert zu sein.

Doch die angeschlagene konservative Regierung braucht vor den Europaparlamentswahlen Erfolg und am 17. Mai soll die Rückgewinnung der "finanziellen Eigenständigkeit" gefeiert werden. Die beiden Parteien der Regierungskoalition, vor allem Coelhos "Sozialdemokratische Partei" (PSD), wollen ein Wahldebakel eingrenzen. Sie verlor bei den Kommunalwahlen im Herbst 2013 nicht nur alle großen Städte, sondern wurde statt von 39 Prozent der Portugiesen nur noch von der Hälfte gewählt. () Trotz hoher Arbeitslosigkeit will Coelho nun Hoffnung unter den Landsleuten schaffen, die keine Erholung sehen, wie auch er zugeben musste. "Ich weiß, dass sich die Rückkehr des Wirtschaftswachstums im vergangenen Jahr für eine ganze Menge von Leuten noch nicht in besseren alltäglichen Lebensbedingungen niederschlägt." Das Land sei aber "auf dem richtigen Weg", meinte er.

Das bezweifeln Experten, die ihrerseits aufzeigen, dass zum Beispiel die Arbeitslosigkeit praktisch nur wegen einer Auswanderungswelle gesunken ist. Die Zahl derer, die 2013 das Land verlassen haben ‑ meist junge und oft gut ausgebildete Menschen ‑ deckt sich fast genau mit der Zahl, um welche die Arbeitslosigkeit 2013 gesunken ist. Zehntausend Menschen haben Portugal monatlich verlassen und die Zahl der Arbeitslosen sank um 125.000. Und das wird die darbenden Rentenkassen in noch stärkere Not bringen. Deshalb will die Regierung nun die Mehrwertsteuer erneut anheben und auch die Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer erhöhen, um die Renten bezahlen zu können. Die ohnehin unter Lohnkürzungen und Steuererhöhungen leidende Bevölkerung wird also weiter Kaufkraft verlieren und das Wachstum wird weiter belastet.

Das Risiko trägt der Steuerzahler

Tatsächlich konnte Portugal im April zehnjährige Staatsanleihen mit einer Rendite von nur 3,6 Prozent versteigern. Zuvor hatte die Europäische Zentralbank (EZB) aber die Kriterien aufgeweicht, um den Anlegern den Kauf zu versüßen. Obwohl die großen Rating-Agenturen die Anleihen als "Ramsch" bewerten, können sie nun bei der EZB als Sicherheit hinterlegt werden. Kürzlich setzte sogar Griechenland wieder Anleihen ab. Das zeigt, dass nicht das Vertrauen in Krisenländer gestiegen ist, sondern darauf gesetzt wird, dass im Notfall europäische Steuerzahler einspringen. Für die Griechenland-Anleihe wurde sogar trickreich jede Gläubigerhaftung ausgeschlossen.

Nicht nur mit einem extrem niedrigen Zinssatz, einer riesigen Geldschwemme und Tricks wird den Investoren schmackhaft gemacht, Staatsanleihen von Krisenländern zu kaufen. Geschönt werden auch Wirtschaftsdaten. Um das Haushaltsdefizit aufzubessern, wurde im Fall Irlands und Portugals die Rückzahlung der Hilfskredite in Höhe von 78 Milliarden Euro auf den St. Nimmerleinstag verschoben. Sie liegen aber weiter deutlich über der Stabilitätsgrenze von drei Prozent. Der "Erfolgsfall" Irland wies 2013 sogar noch 7,3 Prozent aus und Portugal kam über einmalige Privatisierungserlöse auf 4,9 Prozent.

Klar ist, dass Irland und Portugal heute noch anfälliger für steigende Zinsen sind. Die Verschuldung Portugals ist in den drei Rettungsjahren von 94 auf 129 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gestiegen, weil sich die Schulden erhöht und die Wirtschaftsleistung im Austeritätskurs geschrumpft ist. Von Stabilitätsmarke (60%) hat sich das Land damit wie Irland (124%) noch deutlich weiter entfernt.