Verkehrssicherheit durch weniger Verkehrsregeln

In Idaho muss ein Radfahrer nicht mehr an einem Stoppschild anhalten, wenn er freie Fahrt hat

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Im US-Bundesstaat Idaho rollen Radfahrer sicherer über die Straßen, wie die Unfallstatistiken zeigen. Auch in einigen anderen US-Städten mit denselben veränderten Verkehrsregeln. Dabei durchbricht die Straßenverkehrsordnung des nördlichen Bundesstaates ein Grundkonzept der Verkehrsregulierung.

Der "Idaho Stop" beschreibt nämlich, dass ein Radfahrer nicht mehr an einem Stoppschild anhalten muss – wenn er freie Fahrt hat. Solange er genau sieht, ob er freie Fahrt hat, darf er daran vorbeirollen: "rolling stop". Das heißt: Ein Stoppschild ist in Idaho (und inzwischen auch mancherorts anderswo) für einen Radfahrer eigentlich ein Vorfahrt-Achten-Zeichen. Und an einer roten Ampel muss der Radfahrer zwar anhalten, darf aber weiterfahren, wenn er eine freie Straße vor sich hat und keinen Unfall riskiert. Also genau das, was die Radfahrer aller Länder schon immer (Pedalantrieb seit 1866) machen, was seit Einführung einer Kraftfahrzeug-Straßenverkehrsordnung (Autos seit ca 1886, also 20 Jahre später) aber für alle Verkehrsteilnehmer verboten ist.

Löst man sich von dieser Prämisse, dann passieren weniger Unfälle, wie sich ganz leicht per Vorher-Nachher (oder im Städte-Direktvergleich) nachzählen lässt. Ganz egal, ob man sich vorstellen kann, dass weniger Verkehrsregulierung ein Mehr an Sicherheit bringt, oder nicht.

Das fortschrittliche Straßenverkehrsgesetz wurde übrigens schon 1982 beschlossen, gerät aber immer wieder und auch aktuell in die Diskussion, gerade weil der Fahrradverkehr in allen Industrieländern weiter zunimmt. So gibt es ähnliche Regelungen in einigen Städten des US-Bundesstaats Colorado, seit kurzem auch in Paris, wo Fahrrad-Organisationen nach drei Jahren entsprechendes durchsetzen konnten. Dort wurden an ausgewählten Ampeln spezielle Hinweisschilder angebracht, um Radfahrern die Entscheidung zu überlassen, ob sie bei Rot weiterfahren möchten oder nicht – die Vorfahrt bleibt auf jeden Fall durch die Lichtsignale bestimmt. Nach einer Testphase wird die Regelung dann auf alle Stadtbezirke mit einer Tempo-30-Beschränkung ausgeweitet. Andere französische Städte und Gemeinden wollen derzeit dem Beispiel der Hauptstadt folgen.

Die Diskussion darüber dürfte anhalten, wird aber letztendlich durch die offiziellen Unfallstatistiken geklärt werden. Was am Ende zählt – oder zählen sollte –, sind nur die Verletzten und Toten auf unseren Straßen, nicht die ideologischen Vorstellungen und Gewohnheiten unserer "Auto-Gesellschaft".