Volksabstimmung: Schweiz führt E-Pass ein

Mit einer Mehrheit von nur 50,1 Prozent haben die Schweizer heute für die Einführung von Reisepässen und Personalausweisen mit Chip, der biometrische Daten speichert, sowie eine zentrale Datenbank für solche Daten gestimmt.

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Von
  • Tom Sperlich

Der E-Pass, der biometrische Reisepass, der in den letzten Monaten in der Schweiz viel Anlass für Diskussionen gab, wird nun doch eingeführt. Mit einer äußerst knappen Mehrheit von 5500 Stimmen (50,1 Prozent) für den E-Pass hat das Mitzittern der Befürworter seit heute Nachmittag ein Ende. Eine eindeutige Ablehnung des umstrittenen Passes gab es in der Westschweiz und im Tessin, in der deutschsprachigen Schweiz herrschte ein uneinheitliches Bild. Die Stimmbeteiligung war mit 38 Prozent eher niedrig.

Die Thematik ist für viele Eidgenossen und -genossinnen ein Politikum, denn laut den Schengen-Abkommen muss die Schweiz bis 2010 biometrische Pässe einführen, bei denen Fingerabdrücke und Gesichtsbild auf einem RFID-Chip abgelegt werden. Das Parlament hatte deshalb im Juni 2008 beschlossen, dass Schweizer Reisepässe und Identitätskarten (Personalausweise) ab März 2010 Biometrie-Daten wie in den Pässen der EU und anderer Länder enthalten sollen.

Dagegen und zur Erreichung einer Volksabstimmung, sammelte das "Überparteiliche Referendumskomitee gegen biometrische Schweizer Pässe und Identitätskarten" bis Oktober 2008 fast 64.000 Unterschriften. Die Mobilisierung für die Volksabstimmung und Unterschriftenabgabe verlief erstmals bei einer Kampagne in der Schweiz weitgehend über das Internet.

Ganz neue Koalitionen fanden sich in der gemeinsamen Ablehnung des E-Passes – so ist das Referendumskommitte ein Zusammenschluss von Rechtskonservativen bis Linksliberalen mit vielen prominenten Namen. Vor wenigen Wochen wandten sich die Jugendorganisationen der meisten im Parlament vertretenen politischen Parteien gemeinsam gegen die Einführung des biometrischen Passes. Der Opposition hatten sich die im Parlament vertretenen Parteien SVP, SP und die Grünen angeschlossen. Nur die Parteien der Mitte, FDP und CVP unterstützten den Bundesrat.

Hauptkritikpunkte der Gegner sind die immer wieder festgestellten Sicherheitsmängel des RFID Chips im Pass sowie vor allem die geplante Speicherung der biometrischen Datensätze in einer zentralen Datenbank, welche in den Schengen-Abkommen gar nicht vorgeschrieben ist. Die Schweizer Regierung und das Parlament bestehen jedoch auf einer zentralen Speicherung der Daten (inklusive zweier Fingerabdrücke und Gesichtsbild) im so genannten Informationssystem Ausweisschriften (ISA) beim Bundesamt für Polizei (Fedpol).

Bundesrätin und Justizministerin Widmer-Schlumpf sagte, der Datenschutz lasse sich in einem zentralen System zuverlässiger, effizienter und auch kostengünstiger gewährleisten als etwa in einer Vielzahl dezentraler Systeme. Insgesamt würden mit dem E-Pass das Schweizer Ausweiswesen noch sicherer und die Bürger noch besser vor einem Missbrauch ihres Passes und ihrer Identität geschützt, so der Bundesrat. Dass allerdings auch ausländische Regierungen (wenn sie dem Schweizer Datenschutz genügen, so das Schweizer Parlament) und sogar private Unternehmungen wie Transportunternehmen oder Flughafenbetreiber ermächtigt werden können, diese persönlichen Informationen der Schweizer Bürger auszulesen, findet bei den Gegnern keine Zustimmung.

Die Zürcher FDP-Nationalrätin Doris Fiala machte in einem Interview den Vorschlag, dass die einmal zentral gespeicherten Daten des neuen E- Passes "im Falle von Schwerverbrechen" für kriminaltechnische Zwecke genutzt werden sollten. Laut Medienberichten legte kurz darauf Christian Miesch, SVP-Nationalrat und Mitglied der sicherheitspolitischen Kommission, noch einen drauf: Es mache keinen Sinn, Daten zu sammeln und sie dann nicht zu verwenden.

Ob es in der Schweiz zur Einführung des ebenfalls vom Parlament abgesegneten biometrischen Personalausweises kommt (ID), scheint noch offen. Bundesrätin Widmer-Schlumpf verlautbarte dazu, dass die Identitätskarte zum Zeitpunkt März 2010 nicht angepasst werde: "Ob es je eine Schweizer ID mit elektronisch gespeicherten Daten geben wird, und ob es allenfalls parallel zu einer ID mit Chip auch eine ID ohne Chip geben wird, ist offen. Der Bundesbeschluss enthält dazu keine Verpflichtung. (Tom Sperlich) / (ad)