Koalition kritisiert FDP-Plan zur Reform der Haftungsregeln für Online-Anbieter

Vertreter von Union und SPD haben kaum ein gutes Haar am Gesetzesentwurf der Liberalen zur Novelle des Telemediengesetzes gelassen. Für eine mögliche Gesetzesänderung wollen sie auch den Vorstoß zum Sperren von Kinderpornographie prüfen.

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Vertreter von Union und SPD haben kaum ein gutes Haar am Gesetzesentwurf der FDP zur Novelle des Telemediengesetzes (TMG) gelassen. "Es ist richtig, dass wir derzeit eine wenig zufrieden stellende Rechtslage haben", räumte Martina Krogmann, Telekommunikationsexpertin der CDU/CSU-Fraktion, bei der 1. Lesung des Vorhabens im Bundestag in der Nacht von Donnerstag auf Freitag allerdings ein. Unternehmen und Privatleute dürften nicht weiter "durch überbordende Kontrollpflichten" drangsaliert werden. "Unerfüllbare, unpraktikable und unverhältnismäßige Regeln für die Verantwortlichkeit für Inhalte, die Dritte in Foren, Blogs oder auf kommerziellen Seiten eingestellt haben, lehnen wir ebenso wie die Initiatoren des Entwurfs ab. Dies gilt auch für die Verantwortlichkeit der Verwender von Hyperlinks und der Betreiber von Suchmaschinen." Insgesamt enthalte der Entwurf jedoch "ganz erhebliche Mängel".

In den angesichts der fortgeschrittenen Stunde zu Protokoll gegebenen Reden brachte Krogmann folgendes Beispiel: Wenn ein Rolex-Imitat bei einem Internet-Auktionshaus angeboten werde, hätte der Rechteinhaber gemäß der Initiative der Liberalen keinen direkten Anspruch mehr gegen die Plattform auf Entfernung des Angebots. Er müsste erst den "bösen Buben", der das Imitat eingestellt habe, auf Rücknahme der Auktion verklagen. Andererseits solle sich der Anspruch auf Löschung des Angebots in Fällen, in denen ein Titel gegen den eigentlichen Rechteverletzer nicht erreicht werden könne, dann doch direkt gegen das Auktionshaus richten. "Ja, wie denn nun?", wollte der CDU-Politikerin dieser Ansatz nicht einleuchten. Entschieden lehnte Krogmann auch den Vorstoß ab, Schwerpunktgerichte für Auseinandersetzungen um Telemedien zu schaffen. Solche Überlegungen würden der "Unabhängigkeit der Justiz" schaden.

"Wir sollten den Mantel des gnädigen Schweigens über diesen Gesetzesentwurf decken", lautete Krogmanns Urteil. Aber auch das SPD-geführte Bundesjustizministerium griff die CDU-Politikerin scharf an, da es den gesetzgeberischen Klarstellungsbedarf nicht anerkenne und einen Gesetzesentwurf des Wirtschaftsministeriums abgelehnt habe: "Ressortegoismen eines nicht federführenden Ministeriums dürfen nicht dazu führen, dass Wirtschaft und Bürgern ein adäquater, praktikabler Rechtsrahmen verweigert wird." Die Koalition werde "eine schnelle und sachgerechte Lösung in nächster Zukunft herbeiführen", versprach Krogmann abschließend, ohne Details zu verraten.

Martin Dörmann machte für die SPD-Fraktion ebenfalls "eine Reihe von Widersprüchlichkeiten und fragwürdigen Regelungsvorschlägen" in der FDP-Initiative aus. Aus Sicht der Koalitionsfraktionen gehe es in erster Linie um die weitere Verbesserung der Rechtssicherheit im Bereich der Störerhaftung sowie für Suchmaschinen und Hyperlinks. Probleme bereite dabei vor allem die "zukünftige Verhinderung einer Rechteverletzung" in analogen Fällen zu einem festgestellten Verstoß. Hier einen Mittelweg zwischen den Interessen von Rechteinhabern, Verbrauchern und Internetfirmen zu finden, habe sich als besonders schwierig erwiesen. Nun sei zu prüfen, inwiefern auch die umstrittenen Überlegungen des Familienministeriums zur Einführung einer Sperrungsverpflichtung zur Bekämpfung der Kinderpornopgraphie im TMG berücksichtigt werden müssten. Zudem stehe für Anfang 2009 die teilweise Umsetzung der novellierten EU-Fernsehrichtlinie an.

Hans-Joachim Otto unterstrich als Medienexperte der FDP, dass die zweijährigen Verzögerungen im Lager der Bundesregierung die Liberalen zum Handeln gezwungen hätten. Es gehe um zentrale Rechtsnormen für die Internetwirtschaft. Weiteres Zaudern sei angesichts zunehmender Rechtsunsicherheit und daraus folgenden Verlagerungen ins Ausland sowie der "drohenden strukturellen Beschneidung der Presse- und Meinungsfreiheit" nicht hinnehmbar. Für "konstruktive Verbesserungsvorschläge" stehe die FDP offen.

Als "Armutszeugnis für die Regierungskoalition" bezeichnete es der medienpolitische Sprecher der Linken, Lothar Bisky, dass trotz Druck aus der Opposition die Novellierung des "Straßenverkehrsgesetzes des Internet" noch immer nicht erfolgt sei. Der FDP-Entwurf sehe "wesentliche Aspekte" zur Klärung der Haftungsfragen vor, um etwa "präventive Überwachungspflichten" für fremde Inhalte zu beseitigen. Es fehle aber etwa nach wie vor schon eine Definition von "Telemedien". Auch der Datenschutz müsse verbessert werden. So sollten etwa Nutzerprofile nur bei ausdrücklicher Einwilligung der Betroffenen erstellt werden dürfen.

Die Medienexpertin der Grünen, Grietje Staffelt, unterstützte die Vorschläge der FDP für angepasste Haftungsregeln. Vorabkontrollen durch die Diensteanbieter seien im Internet anachronistisch: "Es ist ein Armutszeugnis der Bundesregierung, dass sie dies nicht von Anfang an klar ins Gesetz geschrieben hat." Das Web 2.0 mit seinen Blogs und Foren lebe davon, dass Anbieter eine Plattform zur Verfügung stellen, welche die Nutzer mit Inhalt und Leben füllen. Deshalb müsse festgehalten werden, dass die Betreiber zwar nicht für fremde Inhalte haftbar zu machen seien, diese aber entfernen müssten, "sofern ihnen dies zumutbar ist". Solche Regelungen seien auch auf Suchmaschinen auszudehnen. Das TMG habe aber noch "unzählige weitere Baustellen", die von der Abgrenzung zwischen Telemedien und Rundfunk über die Zugriffsmöglichkeiten auf persönliche Daten für die Gefahrenabwehr durch Sicherheitsbehörden bis hin zu verwirrenden Gerichtszuständigkeiten reichen würden. Doch anstatt sich dieser Fragen anzunehmen, diskutiere die Regierung nun über den "populistischen Schnellschuss" zum Sperren von Kinderpornographie. Dies beweise einmal mehr, dass sie noch nicht im Internetzeitalter angekommen sei.

Zum Telemediengesetz siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)