ILA 2014: Drohnen und die Grenzen des Machbaren

Die deutsche Luftwaffe will Drohnen, um eine ganz besondere "Fähigkeitslücke" zu decken: nämlich um zu feuern, wenn es für Bodentruppen brenzlig wird. Auf der ILA leistete sich die Luftwaffe deshalb eine Ethikdiskussion, bei der es sehr laut wurde.

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Von
  • Detlef Borchers

Mit dem Luftwaffenseminar "Die Grenzen des Machbaren: Operationelle Fähigkeiten und ethische Implikationen beim Einsatz von ferngesteuerten Luftfahrtzeugen" auf der ILA Berlin Air Show wollte das deutsche Militär eine "ausgeuferte" Ethikdebatte in einen "sachlichen Rahmen" zurückführen.

Generalleutnant Martin Schelleis, Kommandeur des Kommandos Einsatzverbände der Luftwaffe.

(Bild: heise online / D. Borchers)

In der zugehörigen Podiumsdiskussion sprach der Historiker Reiner Pommerin, ein ehemaliger Sprecher des "Beirat Innere Führung" der Bundeswehr, von einer "bodenlosen Unterlassung", wenn Soldaten nicht das beste Material, das Aufklären und Schießen kann, zur Hand gegeben wird. Man brauche keine gesellschaftliche Ethikdiskussion, höchstens eine Diskussion in den Fachausschüssen des Bundestages. "Wenn man in Frankreich oder Großbritannien diese Diskussion geführt hätte, wäre Hitler heute noch an der Macht", wetterte Pommerin.

Niklas Schörnig von der Hessischen Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung verwies darauf, dass hehre ethische Absichten und völkerrechtliche Normen mitunter nicht zusammen gehen. Für die USA sei der Einsatz von Killerdrohnen in Jemen und Pakistan vom Völkerrecht gedeckt. "Wer garantiert für eine deutsche Regierung, die in 10 Jahren mit dann vorhandenen Drohnen gezieltes Töten erlaubt?" Hier müsse eine Schranke gegen den Missbrauch und die Enthemmung der politischen Ebene eingebaut werden.

Der Mehrwert von Drohnen aus Sicht der Armee.

(Bild: heise online / D. Borchers)

Felix Pahl, bei den Grünen in der Arbeitsgemeinschaft "Frieden & Internationales", wies darauf hin, dass Drohnen durch das Rüstungskontrollgesetz erfasst werden müssten. Andernfalls drohe hier eine Rüstungsspirale, die bei autonom tötenden Systemen enden könnte. Der freiberufliche Programmierer unterstrich, dass man die Drohnen-Betriebssysteme sofort um eine Datenkontrolle ergänzen müsse, die nicht fälschbare Nutzungsinformationen für Kontrolleure zur Verfügung stellt. Wer dies erst machen wolle, wenn die Drohne mit Waffen ausgerüstet wird, komme zu spät.

Thomas Kachel von der Linksfraktion und Felix Pahl zitierten jeweils Drohnenpiloten, die nach ihren Einsätzen mit posttraumatischen Belastungsstörungen zu kämpfen hatten. Generalleutnant Schelleis musste zugeben, dass die Bundeswehr noch keine Studien dazu unternommen hat, aber eine psychologische Betreuung von Piloten notwendig sein werde. Schließlich sehen Drohnenpiloten anders als Jetflieger nach einem Knopfdruck klar die Folgen ihres Handelns.

Autonomen Waffeneinsatz soll es laut Generalleutnant Schelleis bei ferngesteuerten Luftfahrzeugen auch künftig nicht geben.

(Bild: heise online / D. Borchers)

Oberst Hans-Jürgen Knittlmeier vom taktischen Luftwaffengeschwader 51 Immelmann, in dem alle deutschen Fernpiloten fliegen, betonte den besonderen Schutz der Bodentruppen, den Drohnen in der Luftnahunterstützung (CAS) böten. Am Ende war es wieder Pommerin, der unter Berufung auf Herfried Münkler davon sprach, das jetzt ein postheroisches Zeitalter sei, in dem niemand Tote riskiere. "Drohnen entsprechen doch unserer Einstellung von chirugischen Eingriffen, weil ein Ziel klar getroffen werden kann." Damit verschaffte er der Ethik-Debatte, die er nicht führen wollte, neuen Zündstoff. Die ursprünglich eingeladenen Parlamentarier konnten wegen einer Sitzung des Bundestages nicht anwesend sein.

Die Bundeswehr verlangt nach Drohnen.

(Bild: heise online / D. Borchers)

Seit der Außerdienststellung des Aufklärungsfliegers Breguet und dem Aus für den Euro Hawk besitzt die Bundeswehr laut Generalleutnant Schelleis keine Aufklärungsflieger mehr. Die AGS-Drohnen der NATO, basierend auf neuen Versionen des US-amerikanischen Global Hawks, sollen die Fähigkeitslücke schließen, doch Schalleis setzte auch bei dieser Option ein dickes Fragezeichen auf die Powerpoint-Folie seines Vortrags. Ende 2014 endet auch der Betriebsvertrag für das für Afghanistan zugelassene Aufklärungsflugzeug Heron1. Es soll durch ein ferngesteuertes Mehrzweckflugzeug ersetzt werden, entweder durch die US-amerikanische Reaper oder die Heron-TP, um die es zur Beginn der ILA ein großes Tam-Tam gab. Ab 2025 soll das von Airbus & Co angekündigte MALE2020 Aufklärung und Angriff übernehmen, ab 2035 sollen unbemannte Kampfflugzeuge die bemannten Flieger ablösen. Ihr besonderer Vorteil sind Manöver mit 25 g, die ein Mensch kaum überleben dürfte. (mfi)