Gravierende Einwände im Bundesrat gegen Kinderporno-Sperren

Der Wirtschaftausschuss der Länderkammer empfiehlt, die bestehenden Möglichkeiten der Strafverfolger im Kampf gegen Kinderpornografie sowie zu Web-Blockaden im Wege gerichtlicher Verfügungen zu prüfen.

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Im Bundesrat braut sich Widerstand gegen den umkämpften Gesetzesentwurf "zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen" zusammen. So hat der federführende Wirtschaftsausschuss Ende vergangener Woche eine heise online vorliegende Empfehlung für eine Stellungnahme der Länderkammer beschlossen, wonach der Vorstoß noch "zahlreiche rechtliche und technische Fragen aufwirft". Die Bemühungen der Bundesregierung, der Verbreitung von kinderpornografischem Material im Internet "flankierend zur konsequenten Ermittlung und strafrechtlichen Verfolgung der Täter" entgegenzuwirken, seien zwar zu begrüßen. An der Durchführbarkeit des konkret vorgeschlagenen Wegs haben die Wirtschaftspolitiker aber genauso wie viele andere Experten massive Zweifel.

Zu prüfen ist laut der Empfehlung vor dem Ergreifen weiterer Maßnahmen zunächst, "ob die bestehenden Möglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden tatsächlich unzureichend sind und wie sie effektiver umgesetzt werden können". Insbesondere seien die vorhandenen Instrumente zur Sperrung von Webseiten mit rechtswidrigen Inhalten im Wege einstweiliger Verfügungen, die der gerichtlichen Kontrolle unterliegen, stärker in Bedacht zu ziehen und bei Bedarf zu verbessern.

Für eine bessere Einschätzbarkeit der Effektivität der gegenwärtigen Mittel zur Unterbindung von Kinderpornografie wünscht sich das Gremium von der Bundesregierung eine Übersicht oder Schätzung von Servern mit Kinderpornografieangeboten geordnet nach Ländern, in denen deutsche Ermittlungsbehörden direkt oder indirekt Zugriffsmöglichkeiten haben beziehungsweise nicht haben. Eine Sperrliste sollte nämlich auf Fälle beschränkt werden, in denen aus rechtlichen Gründen nicht direkt gegen die inkriminierten Inhalte vorgegangen werden könne.

"Erhebliche Bedenken" hat der Wirtschaftsausschuss gegen die geplante Bestimmung, wonach "allein das Bundeskriminalamt ohne die Möglichkeit der Überprüfung" das geheim zu haltende Filterverzeichnis erstellen solle. Dies sei rechtsstaatlich kaum zu rechtfertigen, zumal von den Web-Blockaden auch legale Seiten erfasst sein könnten. "Die Sperrung von Internetseiten betrifft die Telekommunikationsfreiheit, die Informations- und Meinungsfreiheit sowie die allgemeine Handlungsfreiheit", heißt es in der Empfehlung. Vor diesem Hintergrund seien geeignete Sicherungsmechanismen wie die Einbeziehung eines unabhängigen Gremiums erforderlich, um ein "Over-Blocking" zu verhindern. Zudem bedürfe es "eines effektiven rechtsstaatlichen Verfahrens, damit Betroffene die Löschung eines zu Unrecht erfolgten Eintrags aus der Sperrliste erreichen können". Für diese Fälle seien auch Entschädigungsklauseln vorzusehen.

Gravierende Einwände haben die Wirtschaftspolitiker auch gegen die im Raum stehende Erlaubnis für Zugangsanbieter, im Rahmen des Betriebs der vorgesehenen Stopp-Seite anfallende personenbezogene Daten wie IP-Adressen zu erheben und auf Anforderung Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln. Damit werde letztlich unterstellt, dass jeder Zugriff auf das virtuelle Warnschild eine Straftat darstelle. Es gebe jedoch zahlreiche technische Möglichkeiten, einen Internetnutzer ohne dessen Willen und seine Kenntnis zur unterschwelligen dauerhaften Abfrage von Webseiten zu bringen, die dann im Browser-Cache als vermeintliches Beweismittel zum Abruf illegaler Seiten registriert würden. Daher sollten anfallende personenbezogene Daten nicht verwertet und allenfalls anonymisiert für statistische Zwecke genutzt werden.

Der Ausschuss hält es überdies für erforderlich, das gesamte Spektrum der Verpflichtungen und Haftung von Webseiten-Betreibern und Diensteanbietern zu reformieren. Er betrachtet mit Sorge, dass die zunehmende Zahl an Verpflichtungen zu einer Marktbereinigung nicht nach Qualität, sondern nach Finanzkraft führe. Technische und organisatorische Aspekte müssten im Detail mit den Betroffenen und den Verbänden abgestimmt werden, um unnötige Kosten zu vermeiden und einfache, praxisgerechte Regelungen zu finden. Dabei sei darauf zu achten, dass auch Provider die Anforderungen erfüllen könnten. Über die Empfehlung der Wirtschaftspolitiker, gegen die sich ausdrücklich nur ein Vertreter Thüringens ausgesprochen hatte, werden die Landesfürsten in ihrer Plenarsitzung am 12. Juni zu befinden haben.

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(Stefan Krempl) (bo)