Polizistenmord in Heilbronn: FBI-Männer vor Ort?

Geheime Unterlagen des BND verweisen auf möglichen Einsatz US-amerikanischer Bundespolizei

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Laut einem Bericht der Winnender Zeitung verweisen geheime Unterlagen des Bundesnachrichtendienstes (BND) auf einen möglichen Einsatz der US-amerikanischen Bundespolizei beim Polizistenmord in Heilbronn.

Am 2. Dezember 2011, so berichtet die Lokalzeitung, habe sich ein für die "Koordinierung der US-Geheimdienste in Süddeutschland" verantwortlicher Agent an den Militärischen Abschirmdienst der Bundeswehr (MAD) gewandt, um auf die Anwesenheit des FBI auf der Theresienwiese in Heilbronn, wo am 25. April 2007 die Polizistin Michèle Kiesewetter erschossen und ein Kollege von ihr schwer verletzt wurde, aufmerksam zu machen.

Die Zeitung berichtet weiter, dass am 2. Dezember um 15:18 eine Verbindungsreferentin des BND mit dem Dienstnamen "Ingrod Corell" den deutschen Geheimdienst kontaktiert habe, um über die Kontaktaufnahme des US-Beamten zu berichten. Demnach habe dieser zuerst "dem MAD und dann der Stuttgarter BND-Verbindungsstelle 2I71 berichtet, bei einer Operation am 25. April seien zwei FBI-Männer auf deutschem Boden in Heilbronn eingesetzt gewesen".

Nach dem Scheitern der Operation seien die beiden FBI-Agenten wieder abgereist, heißt es in der Zeitung. Untermauert wird der Hinweis noch durch eine Email, die drei Tage später versandt wurde. Der US-Agent habe erkennen lassen, "dass eine eigene Untersuchung der Ereignisse die Beteiligung von zwei Mitarbeitern des FBI ergeben habe".

Aus den Unterlagen gehe auch hervor, dass US-Geheimdienste interessiert gewesen seien, mit der BND-Verbindungsstelle "2I71" in Verbindung treten zu dürfen. Diesem Wunsch sei aber nicht nachgekommen worden. Andreas Förster, der den Artikel für die Winnender Zeitung verfasst hat und der sich schon länger mit der Arbeit der Geheimdienste auseinandersetzt, merkt in dem Blatt an: "Er [der BND] scheint sich stattdessen mehr darum zu sorgen, dass der Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Mordserie des NSU unangenehme Fragen stellen könnte."

Der Hinweis auf einen FBI-Einsatz in Heilbronn ist jedoch nicht neu (Erinnerungslücken und Leerstellen in der Berichterstattung). Bereits im Oktober 2012 berichtete Spiegel Online über die Einträge in den Akten des BND. Die Bundesanwaltschaft gab damals gegenüber dem Spiegel an, man habe die "Hinweise auf eine angebliche Anwesenheit von Angehörigen von US-Sicherheitsbehörden bei dem Mordanschlag eingehend geprüft, keiner der Hinweise hat sich als tragfähig erwiesen".

Allerdings: Welcher Bewertungsmaßsstab der Aussage zugundeliegt, "keiner der Hinweise hat sich als tragfähig erwiesen", ist bisher nicht öffentlich ersichtlich. Die Aussagen, wie sie nun aus den Unterlagen des BND ersichtlich sind, klingen durchaus ernst. Allerdings war auch schon mal berichtet worden, Agenten des US-Geheimdienstes DIA seien Zeuge gewesen. Eine Rolle könnte der V-Mann Mevlüt Kar gespielt haben.

Einigen der Ungereimtheiten und Merkwürdigkeiten im Fall NSU sind jüngst auch der ehemalige Chefredakteur des Spiegel, Stefan Aust, und der Journalist Dirk Laabs in einem längeren Artikel für Die Welt nachgegangen. Aust und Laabs führen eine Aussage des ehemaligen Vizepräsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Klaus-Dieter Fritsche, an, die er vor dem NSU-Ausschuss machte:

"Es dürfen keine Staatsgeheimnisse bekannt werden, die ein Regierungshandeln unterminieren. Es darf auch nicht so weit kommen, dass jeder Verfassungsfeind und Straftäter am Ende genau weiß, wie Sicherheitsbehörden operativ arbeiten und welche V-Leute und verdeckten Ermittler im Auftrag des Staates eingesetzt sind."

Aust und Laabs fragen zum Abschluss ihres Artikels: "Welches Staatsgeheimnis meinte Fritsche damals? Und warum ist er jetzt Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, obwohl der die Aufklärung behindert hat? War das Versprechen von Angela Merkel, das sie gegenüber den Hinterbliebenen gegeben hat, nichts wert?"