Ubuntu 9.04 im Test

Obwohl sich äußerlich nicht viel geändert hat, bringt Ubuntu 9.04 (Jaunty Jackalope) diverse technische Verbesserungen. Dazu gehören eine deutlich verkürzte Bootzeit und Unterstützung für das neue Dateisystem Ext4.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Dr. Oliver Diedrich

Seit fast fünf Jahren verfolgen die Ubuntu-Macher ihr erfolgreiches Konzept: Man nehme eine bewährte, technisch ausgereifte Linux-Distribution mit einem riesengroßen Software-Pool (Debian GNU/Linux), feile an Vorkonfiguration und Optik, aktualisiere die Software, füge einen komfortablen Installer, eine Reihe intelligenter Automatismen und einige Konfigurationswerkzeuge hinzu – und reduziere die Softwareausstattung auf die Programme, die ein Desktop-Anwender wirklich braucht, um mit seinem Computer zu arbeiten.

Das Ergebnis: Ein System, das Linux-unerfahrenen Anwendern den Einstieg leicht macht und Profis alle Möglichkeiten lässt. Mit diesem Ansatz hält sich Ubuntu seit 2005 fast durchgängig auf Platz eins der Liste der beliebtesten Linux-Distributionen bei DistroWatch.

Zu dem Erfolgsrezept gehört, bei neuen Ubuntu-Versionen äußerlich nur behutsame Änderungen vorzunehmen. So präsentiert sich der Desktop von Ubuntu 9.04 noch immer in den gewohnten Brauntönen und – sofern von der Hardware unterstützt – mit dezenten 3D-Effekten. Das Panel am oberen Bildschirmrand hat sich seit der ersten Ubuntu-Version kaum verändert. Und nach wie vor passt das Standardsystem mit einem komplett ausgestatteten Linux-Desktop auf eine CD. Und wie immer kommt Ubuntu 9.04 als Live-System, aus dem heraus sich die Distribution auf die Platte istallieren lässt. Die Optik wurde leicht überarbeitet, was am deutlichsten an dem neuen Fortschrittsbalken beim Booten und dem neuen Hintergrund des Login-Schirms auffällt.

Die Software ist natürlich auf den aktuellen Stand gebracht: Kernel 2.6.28, X.org 7.4, Gnome-Desktop 2.26 mit dem integrierten Mail-Client Evolution und dem Videoplayer Totem, OpenOffice 3.0.1, Firefox 3.0.9, Gimp 2.6.6 sowie einigen weiteren Internet-, Grafik-, Multimedia- und Systemtools. Mit der von Debian übernommenen Paketverwaltung lassen sich über 25.000 weitere Programmpakete nachinstallieren, darunter weitere Desktop-Anwendungen, Entwicklertools, Serverprogramme und Systemwerkzeuge. Die erforderlichen Repositories (Main mit der Kerndistribution, Universe mit weiteren freien Anwendungen, Multiverse mit nicht-freier Software und Restricted mit proprietären Treibern) sind in der Paktverwaltung bereits eingerichtet.

Ubuntu 9.04 ist in Versionen für 32- und 64-bittige x86-Prozessoren in den Installationsvarianten Desktop (Live-System mit grafischem Installer), Server und Alternate Install mit textbasiertem Installer verfügbar. Der Ubuntu Netbook Remix (UNR), eine speziell auf Netbooks angepasste Variante, die unter anderem auf dem Acer Aspire One, den Asus EeePCs 900 und 1000, dem Dell Mini 9, dem HP Mini Mi und dem Toshiba NVB 100 läuft, soll in den nächsten Tagen fertig werden. Gleiches gilt für die Ports auf die Architekturen PowerPC (alle Installationsvarianten), PA-RISC, IA-64 und SPARC (Server und Alternate Install) sowie für Rechner mit Intels Atom-Prozessor (nur Alternate Install).

Ubuntu 9.04 im Test (8 Bilder)

Ubuntu ist in wenigen Schritten installiert:

Die Installation über den grafischen Installer aus dem Live-System heraus hat sich gegenüber der Vorversion kaum verändert: Wenige Mausklicks reichen, um Ubuntu 9.04 auf die Platte zu bringen. Bei deutlich weniger als 512 MByte RAM läuft die Installation aus dem Live-System sehr langsam; hier entscheidet man sich im Startmenü nach der Auswahl der Sprache besser für den Installer ohne Live-System ("Ubuntu installieren") oder verwendet den Textmodus-Installer des Alternate-Install-Image. Die automatische Hardware-Erkennung hatte mit keinem unserer Testrechner Probleme, wobei sich allerdings keine ganz brandneue Hardware darunter befand.

Auf dem Desktop fällt am ehesten das neue Notification System ins Auge: Benachrichtigungen aller Art – ob das System auf neue Updates hinweist oder der Kalender auf einen anstehenden Termin – werden jetzt einheitlich in der rechten oberen Bildschirmecke angezeigt. Damit wollen die Entwickler die Notification Area im Panel entrümpeln und für Einheitlichkeit auf dem Desktop sorgen.

Leider ist damit auch das Icon des Update-Tools verschwunden, das hier in früheren Ubuntu-Versionen auf anstehende Updates hinweist. Stattdessen startet die Aktualisierungsverwaltung automatisch, wenn Updates seit einer Woche oder länger vorliegen. Über sicherheitsrelevante Aktualisierungen wird man binnen 24 Stunden informiert – aber auch nur mit einer einmal auftauchenden Nachricht in der Ecke. Wer damit nicht glücklich ist: Mit dem Befehl

gconftool -s --type bool /apps/update-notifier/auto_launch false

stellt man das von älteren Ubuntu-Versionen gewohnte Verhalten wieder her.

Interessanter sind die Änderungen unter der Haube. Booten und Herunterfahren sind deutlich schneller geworden -- wir haben gegenüber Ubuntu 8.10 eine Verkürzung der Bootzeit um rund 30 Prozent gemessen – auf einem Core-2-Duo-Recher (2,13 GHz, 2 GByte RAM, Seagate Barracuda ST3250620AS mit 250 GByte und 7200 U/min) dauerte es keine 20 Sekunden, bis der Login-Schirm erschien. Auch der Start des Desktops nach dem Login und der Shutdown gehen deutlich schneller vonstatten.

Boot- und Shutdownzeiten
Version Start bis Login Shutdown
Ubuntu 8.10 28 s 9 s
Ubuntu 9.04 19 s 6 s

Wer angesichts dieser beträchtlichen Beschleunigung grundlegende Änderungen am Bootprozess vermutet, ist allerdings auf dem Holzweg: Genau wie die Vorgängerversion nutzt Ubuntu 9.04 das moderne Init-System Upstart lediglich, um eine traditionelle SysV-Umgebung für klassische Init-Skripte zu emulieren. Den größten Teil der Zeitersparnis beim Booten (fünf Sekunden) gewinnt Ubuntu 9.04 bereits beim Abarbeiten der Init-RAM-Disk. Sie ist bei der neuen Version entpackt rund vier MByte kleiner als bei Ubuntu 8.10 und enthält weniger Module, ein massiv abgespecktes Programm zur Anzeige des Splash-Screens und vor allem einen deutlich reduzierten Udev-Regelsatz, sodass in der ersten Phase des Bootprozesses weniger Hardware erkannt und initialisiert wird.

Die restlichen vier Sekunden Beschleunigung gewinnt Ubuntu 9.04 durch diverse Optimierungen an den Init-Skripten, die zudem häufiger parallel laufen, und eine ebenfalls optimierte Hardwareerkennung und -initialisierung.

Suspend to RAM (Bereitschaft) und Suspend to Disk (Ruhezustand) wurden überarbeitet sollen sich jetzt mit mehr Rechnern nutzen lassen. Tatsächlich funktonierte der Suspend to Disk mit Ubuntu 9.04 bei einem Testrechner mit Intel-965-Chipsatz und ATI-Grafikkarte (Radeon X1600), der sich unter Ubuntu 8.10 noch nicht in den Ruhezustand schicken ließ. Auf den beiden getesteten Notebooks (Lenovo Thinkpad X300, Fujitsu-Siemens Lifebook S7110) arbeiteten sowohl Suspend to Disk als auch Suspend to RAM anstandslos.

Ubuntu 9.04 enthält bereits das zukünftige Dateisystem Ext4, auch wenn standardmäßig auf Ext3 installiert wird – das lässt sich ändern, wenn man von Hand partitioniert. Die Entscheidung für Ext3 als Standarddateisystem ist sicher vernünftig, hat man doch bei dem Delayed-Allocation-Problem gesehen, dass es bei einem neuen Dateisystem immer noch böse Überraschungen geben kann. Ubuntu setzt konsequenterweise auf das erprobte Ext3, lässt experimentierfreudigen Anwendern aber trotzdem die Möglichkeit, die neuen Funktionen von Ext4 in der Praxis zu erproben.

Insgesamt präsentiert sich Ubuntu 9.04 als gelungenes Update, bei dem besonders die verkürzte Bootzeit und die Verbesserungen im Powermanagement gefallen. (odi)