Ubuntu Linux: Auf dem Weg ins Unternehmen

Mit der anstehenden Version 6.06 ( Dapper Drake ) will Ubuntu Linux seine Tauglichkeit für den Unternehmenseinsatz auf Desktop und Server unter Beweis stellen. Dazu gehört eine Supportgarantie von bis zu fünf Jahren.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Dr. Oliver Diedrich

Ubuntu Linux (das Zulu-Wort Ubuntu bedeutet Menschlichkeit, Gemeinsinn) ist einer der Shooting Star unter den Linux-Distributionen: Das im Oktober 2004 erschienene erste Release 4.10 (die Versionsnummer bestimmt sich aus Jahr und Monat der Veröffentlichung) mit dem Codenamen Warty Warthog schoss binnen kurzem auf Platz eins der Liste der beliebtesten Linux-Distributionen auf Distrowatch. Dazu beigetragen haben neben der freien Verfügbarkeit die gute Lokalisierung, Einfachheit als Design-Prinzip, Anstrengungen in Richtung Barrierefreiheit und eine hilfsbereite Entwickler- und Benutzer-Community.

Die treibende - und vor allem finanzierende - Kraft hinter Ubuntu ist Mark Shuttleworth, der sich einen Namen als Weltraumtourist auf der ISS machte. Seine Firma Canonical sponsort neben Ubuntu weitere Open-Source-Projekte: das verteilte die verteilte Quellcode-Revisionsmanagementsystem Bazaar, die OpenCD, eine Sammlung von Open-Source-Software für Windows, und die südafrikanische Go Open Source-Kampagne, die Aufmerksamkeit für Open-Source-Software schaffen will. Das Unternehmen bezahlt Gnome-, Debian- und Bazaar-Entwickler.

Canonical bietet kommerziellen Support für Ubuntu Linux an. Für Updates, Online- und telefonische Unterstützung zahlt man 250 US-Dollar pro Jahr für ein Desktop-System, 700 für einen Server und 1200 für Cluster und Thin Clients. In Deutschland bieten eine Reihe kleinerer Systemhäuser Support für Ubuntu an.

Seit Juli 2005 existiert eine von Canonical unabhängige Stiftung, die Shuttleworth mit einem Startkapital von 10 Millionen US-Dollar ausgestattet hat. Sie soll den Support bereits erschienener Ubuntu-Linux-Versionen sicherstellen und für das regelmäßige Erscheinen neuer Versionen im Halbjahrestakt sorgen. Zentrale Ubuntu-Entwickler sind bei der Ubuntu Foundation angestellt.

Ubuntu ist ein angepasstes Debian GNU/Linux. Dabei hat man versucht, die Stärken von Debian zu erhalten und seine Schwächen zu beseitigen. Zu den Stärken von Debian gehört das leistungsfähige System zur Softwareverwaltung, das Ubuntu über das grafische Frontend Synaptic und eine selbst entwickelte Sofwtare, die regelmäßig auf Updates checkt und sie auf Wunsch automatisch einspielt, zugänglich macht.

Eine weitere Stärke ist die große Auswahl von Programmpaketen, die unter Ubuntu zwar zum größten Teil nutzbar sind, in der Standardinstallation jedoch auf wenige wirklich nötige Anwendungen reduziert sind. Das macht den Umgang mit Ubuntu für den Anwender einfach: Er muss sich nicht zwischen mehreren grafischen Bedienoberflächen, einem Dutzend Webbrowsern und -zig E-Mail-Programmen entscheinen, sondern findet nach der Installation einen vorkonfigurierten Gnome-Desktop mit dem Browser Firefox, dem E-Mail-Programm Evolution, OpenOffice.org und einigen weiteren Desktop-Anwendungen für den Büro- und Heimeinsatz vor. Die gesamt Ubuntu-Distribution passt auf eine CD.

Software-Repositories, deutlich unterteilt nach vom Ubuntu-Team unterstützten und nicht unterstützten Programmen, machen viele in Ubuntu nicht enthaltene Anwendungen, aber auch proprietäre Treiber der Hardwarehersteller via Internet zuänglich. Die meisten Programmpakete für Debian GNU/Linux lassen sich problemlos in Ubuntu einspielen.

Die Schwächen von Debian - die im Vergleich zu anderen Linux-Versionen bescheidene Hardwareerkennung, veraltete Software und umständliche Konfiguration - bügelt Ubuntu recht erfolgreich aus. Gängige Hardware wird automatisch erkannt und in Betrieb genommen, regelmäßige Releases alle sechs Monate halten die Programme auf dem aktuellen Stand, das System ist nach der Installation weitgehend vorkonfiguriert. Der Debian-Unterbau, kombiniert mit aktueller Software und mehr Komfort, dürften maßgeblich zu dem großen Erfolg der Distribution beigetragen haben.

Deutlich hinter Debian zurück bleibt Ubuntu hinsichtlich der unterstützten Hardwareplattformen: Neben x86 in 32- und 64-Bit-Spielart läuft die Version 5.10 lediglich auf PowerPC-Rechnern. Mit dem für den 1. Juni 2006 angekündigten Release 6.06 sollen die Serverplattformen Itanium (IA64), Sparc und PA-RISC dazukommen.

Eine Besonderheit, konzeptuell bei Mac OS X ausgeborgt, ist der deaktivierte root-Account: Der Anwender meldet sich grundsätzlich als normaler Benutzer an, die nötigen Rechte für Administrationsaufgaben verschafft man sich mit dem Befehl sudo.

Mit der für April 2006 geplanten Version 6.04 (Dapper Drake; nach einer Verschiebung des Veröffentlichungsdatums dürfte es wohl Version 6.06 werden) will das Ubuntu-Team in neue Einsatzbereiche vorstoßen. Bislang verstand sich Ubuntu vor allem als eine Distribution für private Linux-Anwender, jetzt will man die Unternehmen für den Einsatz von Ubuntu Linux gewinnen - auf dem Desktop wie auf dem Server.

Im Dezember letzten Jahres wurde ein Server-Team gegründet, das für die Berücksichtigung der Belange des Servereinsatzes bei der Entwicklung von Ubuntu sorgen soll. Es arbeitet unter anderem an einer Testsuite, um die Kompatibilität von Serverhardware zu überprüfen, an einfachen Möglichkeiten zur Einbindung der Software von Drittherstellern und an Sicherheitsmechanismen.

Erste Erfolge in Richtung Server sind bereits zu verzeichnen: IBM hat Ubuntu 5.10 als "Ready for IBM DB2 Software for Linux" zertifiziert.

Vor allem an der Dauer des garantierten Supports macht sich die neue Professionalität fest: Ab Dapper Drake sollen die Desktop-Versionen für drei, die Server-Versionen für fünf Jahre gepflegt werden. Details, welche Supportleistungen man zu welchen Konditionen erhalten kann, sind zwar noch nicht bekannt; aber zumindest verspricht man kostenlose Bugfixes für drei beziehungsweise fünf Jahre.

Für eine freie Distribution - die Ubuntu Foundation garantiert nicht nur die Pflege, sondern auch die freie Verfügbarkeit von Ubuntu Linux - sind das ungewöhnliche Konditionen. Red Hat und Novell, die beiden wichtigsten Anbieter von Linux-Distributionen für den Unternehmenseinsatz, unterscheiden säuberlich zwischen den freien Versionen ihrer Distributionen (Fedora und das im OpenSUSE-Projekt entwickelte Suse Linux) und den kommerziellen Angeboten für Unternehmen (Red Hat Enterprise Linux und Suse Linux Enterprise Server und Desktop). Die freien Varianten werden lediglich bis zum Erscheinen einer neuen Version mit Bugfixes und Sicherheits-Pachtes versorgt, anschließend muss der Anwender auf die neue Version updaten oder ist auf sich selbst gestellt. Den garantierten Support der Unternehmensdistributionen über mehrere Jahre lassen sich die Anbieter bezahlen.

Mit dem längeren Support verbunden ist auch ein höherer Qualitätsanspruch. Auf Anregung von Mark Shuttleworth entschied das Ubuntu-Team Mitte März, die Freigabe der Version 6.04 um sechs Wochen zu verschieben, um Zeit für zusätzliche Tests, Zertifizierungen durch Hardware- und Softwarehersteller, Lokalisierungen vor allem für asiatische Sprachen, Zertifizierung nach der Linux Standard Base (LSB) 3, die Bereitstellung erweiterter Supportangebote und etwas mehr Feinschliff zu gewinnen. Oder, wie es Shuttleworth ausdrückte: "Ich möchte, dass Dapper bei gleicher Qualität stolz zwischen den traditionellen Enterprise-Distributionen von Red Hat, Debian und Suse steht". (odi)