VoIP-Gateway mit Asterisk

Bei dem mittelständischen Unternehmen Locatech verbesserte der Einsatz von VoIP und Asterisk die Erreichbarkeit der Mitarbeiter und senkte die Telefonkosten. Die Verwendung offener Software und Standards garantiert dabei eine hohe Investitionssicherheit.

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Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Frank Ochmann
  • Daniel Scheller
  • Dr. Oliver Diedrich
Inhaltsverzeichnis

Die Locatech GmbH ist ein mittelständisches Unternehmen im Bereich Softwarelokalisierung, dessen rund 50 Mitarbeiter sowohl im Büro als auch aus dem Home Office und vom Ausland aus tätig sind. Hinzu kommen rund 30 freie Mitarbeiter, die an internationalen Standorten nur zeitweise für das Unternehmen tätig sind.

Mitarbeiter, die ausschließlich im Büro arbeiten, sind unter ihrer festen Bürorufnummer erreichbar. Externe Mitarbeiter hingegen sind unter verschiedenen, teils privaten Rufnummern erreichbar, die bei abgehenden Gesprächen auch übermittelt werden. Zudem müssen sich Anrufer für ihren Ansprechpartner unter Umständen mehrere Rufnummern merken und je nach Aufenthaltsort mehrere Anrufversuche unternehmen.

Externe und freie Mitarbeiter verursachen Telefonkosten sowohl bei internen Gesprächen mit Büroarbeitsplätzen und anderen externen Mitarbeitern als auch bei Kundengesprächen. Wenn sich externe Mitarbeiter im Ausland oder weit entfernt vom Unternehmensstandort aufhalten, fallen Verbindungskosten in signifikanter Höhe an.

Die Locatech GmbH verfügt über ein TK-System und eine breitbandige Internetanbindung; externe und freie Mitarbeiter im Home Office finden über DSL-basierte VPN-Verbindungen Anschluss ans unternehmensinterne LAN. Diese Infrastruktur erlaubt die Anbindung der externen Mitarbeiter mittels Voice over IP (VoIP). VoIP-Verbindungen sind reine Datenverbindungen und werden daher pauschal oder nach Datenvolumen abgerechnet. Der Wegfall zeitbasiert berechneter leitungsvermittelter Verbindungen kann dabei eine beträchtliche Kosteneinsparung bringen.

Daher hat sich Locatech für die Anbindung der externen und freien Mitarbeiter per VoIP an das vorhandene TK-System entschieden. Für die so angebundenen Teilnehmer fallen lediglich die Kosten für die Internetnutzung an, da firmeninterne und Amtsgespräche über das TK-System aufgebaut und dort abgerechnet werden. Zudem sind auch externe Mitarbeiter über Firmennummern erreichbar und übermitteln bei Anrufen bei Kunden eine Firmennummer, was Vorteile in Hinblick auf die Außendarstellung bringt.

Grundlage der realisierten Lösung ist die unter GPL stehende Open-Source-Software Asterisk, die am vorhandenen TK-System als VoIP-Gateway arbeitet. Bei den externen Mitarbeiten kommt sowohl die AVM Fritz!Box Fon (als DSL-Modem, Firewall, und VoIP-Client) als auch optional – etwa bei mobilen Clients – eine softwarebasierte Telefonlösung zum Einsatz.

Topologie

Bei Locatech ist ein TK-System der Firma DeTeWe mit 60 Nebenstellen installiert. Zur Vermittlungsstelle sind über S0-Anschlüsse acht B-Kanäle geschaltet. Der Asterisk-Server ist vor dem TK-System aufgestellt, das heißt zwischen Vermittlungsstelle und TK-System, und mit jeweils acht B-Kanälen an der Vermittlungsstelle und am TK-System angeschaltet.

Asterisk stellt die Schnittstelle zwischen leitungsvermittelter und paketvermittelter Telefonie zur Verfügung. Die "Software-Telefonanlage", die alle standardkonformen Telefonieschnittstellen und ­-protokolle unterstützt und VoIP-Unterstützung ohne zusätzliche Hardware bietet, läuft auf einem Server von SuperMicro mit 2-GHz-Celeron-Prozessor mit 256 MByte RAM. Die Verbindung zur Vermittlungsstelle und zur TK-Anlage stellen BRI-ISDN-Karten (Basic Rate Interface) vom Typ BeroNet BN4S0 her, da diese Karten die für die Anschaltung des TK-Systems benötigte Amtsimulation (NT-Modus) unterstützen. Bei anderen Topologien, zum Beispiel beim Einsatz von Asterisk an Primärmultiplex-Anschlüssen (PRI, Primary Rate Interface) oder als vollwertiges TK-System können auch andere Karten verschiedener Hersteller (AVM C2/C4 BRI, Digium BRI/PRI, Eicon PRI, Sangoma PRI) je nach Anzahl der gewünschten B-Kanäle zum Einsatz kommen.

Der Asterisk-Server ist mit einer Bandbreite von 4 MBit/s an das Internet angebunden, steht in einer DMZ und ist unter einer öffentlichen IP-Adresse erreichbar. Mitarbeiter im Home-Office sind per DSL-Anschluss und einer AVM Fritz!Box Fon ans Internet angebunden. Mobile und freie Mitarbeiter nutzen wechselnde Internetzugänge und eine softwarebasierte Telefonielösung wie X-Lite.

Asterisk als VoIP-Gateway

Asterisk kan unterschiedlichste Aufgaben in einem Telefoniesystem übernehmen. Die Basis dieser Flexibilität liegt in der modularen Architektur, die beinahe alle gängigen Techniken einbinden kann, seien es VoIP-Protokolle wie SIP, H.323 und das Asterisk-spezifische Protokoll IAX oder traditionelle Verfahren wie T1, ISDN PRI (Primärmultiplexanschluss) und BRI (ISDN-Basisanschluss) und das analoge PSTN.

Herzstück von Asterisk ist der PBX-Vermittlungskern, der Anrufe über die verschiedenen Schnittstellen entgegennimmt und anhand des internen Wählplans an andere Schnittstellen weitervermittelt. Gesteuert durch Konfigurationsdateien ermittelt der Vermittlungskern, auf welche Kommunikationskanäle er zugreifen kann und ob für die Gesprächsvermittlung zwischen verschiedenen Kanälen Transkodierungen nötig sind. Der integrierte Codec-Übersetzer ermöglicht es, Verbindungen zwischen Schnittstellen herzustellen, deren Sprachdatenströme mit unterschiedlichen Codecs digitalisiert sind. Im Anwendungsfall VoIP-Gateway vor dem TK-System schaltet Asterisk B-Kanäle von extern und intern zusammen oder transkodiert zwischen ISDN-BRI- und IP-Schnittstelle.

Verbindung zum TK-System

Am Asterisk-Server werden vier ISDN-BRI-(S0-)Anschlüsse an den NTBA des Netzbetreibers in der Betriebsart TE sowie vier ISDN-BRI-(S0-)Anschlüsse als Verbindung zum TK-System in der Betriebsart NT betrieben. Dabei kommt das Protokoll DSS1 zwischen NTBA, Asterisk und TK-System zum Einsatz.

Ein einheitlicher, öffentlicher Rufnummernplan mit zwei- oder dreistelligen Durchwahlen stellt die VoIP-Teilnehmer als normale Durchwahlen am vorhandenen TK-System dar.

Vom Netzbetreiber ("von außen") sieht das so aus:

- 0        Zentrale
- 10-79 Nebenstellen TK-System
- 800-899 Nebenstellen VoIP
- 90-99 Faxserver

Vom TK-System ("von innen") lauten die Nummern:

- 0            Amtskennziffer
- 10-79 Nebenstellen TK-System
- 8 Amtskennziffer
- (8)00-(8)99 Amtskennziffer/Nebenstellen VoIP
- 90-99 Faxserver

Der Rufnummernplan. Ziffern nach der Durchwahl 8 wertet Asterisk aus.

VoIP-Teilnehmer sind über eine besondere Rufnummerngasse als normale Nebenstellen von "außen" (vom Netzbetreiber aus) und "innen" (vom TK-System aus) über das Routing des Asterisk-Servers erreichbar. Asterisk bewertet die Rufnummern der vom Netzbetreiber ankommenden Anrufe und leitet sie entweder in das TK-System oder auf eine VoIP-Nebenstelle weiter oder nimmt eine parallele Signalisierung (falls nötig, noch zusätzlich auf dem Mobiltelefon) vor.

Von "innen" fungiert die Kennziffer 8 im TK-System ebenfalls als Amtskennziffer; die folgenden Nummern wertet Asterisk aus und routet sie zum entsprechenden VoIP-Teilnehmer. VoIP-Teilnehmer erreichen andere Nebenstellen über die entsprechende Durchwahl und belegen mit einer Amtskennziffer einen externen Kanal zur Vermittlungsstelle. Über ein Webinterface kann jeder Mitarbeiter festlegen, wo und wie Anrufe an seine Rufnummer signalisiert werden.