Mit Gentechnik gegen Diabetes

Ein synthetisches Medikament, das den Blutzucker bei übergewichtigen Mäusen reguliert, zeigt das Potenzial einer DNA-abhängigen Methode zur Entwicklung neuer chemischer Wirkstoffe.

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Von
  • Susan Young Rojahn

Ein synthetisches Medikament, das den Blutzucker bei übergewichtigen Mäusen reguliert, zeigt das Potenzial einer DNA-abhängigen Methode zur Entwicklung neuer chemischer Wirkstoffe.

Forschern ist seit langem klar, dass der Körper ein Enzym in sich trägt, das Insulin in den Zellen verarbeitet und damit die Reaktion des Körpers auf Zucker steuert. Bei Menschen, die an Typ-2-Diabetes leiden, funktioniert dieser Prozess nicht mehr richtig.

Genetische Studien zeigten mittlerweile, dass Erkrankte mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eine Mutation in jenem Gen aufweisen, das ein Insulin-abbauendes Protein namens Insulin-Degrading-Enzyme, kurz IDE, codiert. Doch wie IDE in der Zelle genau wirkt, ist noch unklar.

Patienten mit Typ-2-Diabetes haben entweder eine zu geringe Menge Insulin im Blut oder ihr Körper reagiert nicht korrekt auf das Hormon, so dass es nicht möglich ist, die Hauptenergiequelle des Körpers, Glucose, korrekt in die Zellen zu befördern. Es wird seit langem darüber spekuliert, dass ein Wirkstoff, der IDE hemmt, zumindest einem Teil der Betroffenen helfen könnte.

David Liu und sein Forscherteam an der Harvard University haben nun einen chemischen Wirkstoff entwickelt, der IDE hemmen kann. Das wiederum erhöhte im Tierversuch die Menge an Insulin im Blut gesunder wie fettleibiger Mäuse, die sich einer ungesunden Diät unterziehen mussten. Damit könnte nach Jahrzehnten der Suche erstmals eine Möglichkeit gefunden sein, Diabetes auf molekularer Ebene genauer zu studieren und eines Tages auch zu behandeln.

Die Wissenschaftler erreichten ihr Ziel mit einer neuen Methode, die sich DNA-Mustersynthese nennt. Dabei werden Tausende verschiedene chemische Strukturen mit Tausenden einzigartigen DNA-Strängen verbunden und die Interaktionen zwischen zwei DNA-Strängen genutzt, um chemische Bausteine zusammenzubringen, die dann einen neuen Wirkstoff ergeben.

Wirkstoffe aus kleinen Molekülen, die die Mehrzahl heutiger Medikamente ausmachen, enthalten Bestandteile, die deutlich kompakter ausfallen als biologische Moleküle wie beispielsweise Antikörper. Sie werden unter Zuhilfenahme einer Bibliothek entwickelt, in denen zahllose bekannte chemische Substanzen verzeichnet sind. Jeder Medikamentenbestandteil wird dann darauf untersucht, ob er den gewünschten Effekt auf ein biologisches Ziel hat – etwa ein Enzym oder ein anderes Protein, von dem bekannt ist, dass es bei einer Erkrankung eine Rolle spielt. Pharmafirmen nutzen mittlerweile Robotersysteme, um zahlreiche chemische Reaktionen parallel zu untersuchen.

Die DNA-Mustersynthese erlaubt es Forschern nun, ohne viel teure Technik schneller zu evaluieren, welches Potenzial in den verschiedenen Substanzen steckt. "Ein einzelner Student mit nur wenig Hardware und Infrastruktur kann Millionen von Interaktionen zwischen kleinen Molekülen und Proteinen innerhalb von einer oder zwei Wochen testen", sagt Liu.

Hinzu kommt, dass die DNA-Mustersynthese Wirkstoffe schafft, die oft in den Standardbibliotheken vieler Pharmafirmen nicht enthalten sind. Das ist einer der Gründe dafür, dass es dem Harvard-Team gelang, einen IDE-Hemmer zu finden, nachdem es lange Jahre nicht geklappt hatte.

Die Entdeckung könnte der Beginn der Entwicklung eines leistungsfähigen Medikaments gegen Typ-2-Diabetes sein. Zwar wurde bereits ein Stoff entdeckt, der Einfluss auf IDE hat, doch dieser hat erstens Nebenwirkungen und überlebt zweitens nur wenige Minuten im Körper. Der von Liu und Co. entwickelte Hemmer soll Stunden wirken. (bsc)