Neue Friedensbewegung oder Querfront?

Eine Studie zur politischen Verfasstheit der Montagsmahnwachen bestätigt Kritiker in vielen Punkten

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Die Montagsmahnwachen für den Frieden und gegen die FED verlieren an Anziehungskraft. Doch aus den Schlagzeilen verschwunden sind sie nicht. Der Auftritt des Liedermachers Dieter Dehm, der auch noch Bundestagsabgeordneter der Linken ist, auf der Berliner Montagsmahnwache hat in und außerhalb der Linkspartei zu viel Kritik geführt (Gemeinsam gegen Rothschild?)

Im Hintergrund der Auseinandersetzung steht eine unterschiedliche Einschätzung des Charakters der Montagsmahnwachen und ihrer Teilnehmer. Handelt es sich hauptsächlich um ein Treffen von politisch unerfahrenen Menschen, die sich gegen den Krieg engagieren wollen und die von
einigen Rechten vereinnahmt werden sollen? Dann würde sich eine Beteiligung linker Gruppen und Personen als eine Art Antifaschismus darstellen. Oder handelt es sich um eine strukturell rechte Bewegung, die durch eine linke Beteiligung nur aufgewertet würde?

Der Streit über die Frage wird auch weitergehen, nachdem Mitarbeiter des Zentrums für Protestforschung am Montag das Ergebnis einer Befragung von Teilnehmern der Proteste auf einer Pressekonferenz vorstellten. In sieben Städten hat das Forscherteam, zu dem Peter Ullrich, Simon Teune, Wolfgang Stuppert und Priska Daphi gehören, Teilnehmer der Montagsmahnwachen befragt. Mit Handzetteln suchten sie Freiwillige, die einen Online-Fragebogen ausfüllen sollten. Fast 400 haben sich beteiligt, die Rücklaufquote für die verteilten Handzettel mit einem individuellen Code lag in Berlin bei 34,6 und in den anderen Städten bei 16,1 Prozent.

Die Forscher machen schon bei der Vorstellung ihrer Methode darauf aufmerksam, dass dadurch die internetaffinen Aktivisten besonders angesprochen worden sein könnten, die überwiegend männlich und im Durchschnitt jünger als die Gesamtbevölkerung sind. Auch eine weitere Verzerrung der Ergebnisse wurde reflektiert. In der wochenlangen Diskussion über die Montagsmahnwachen gerieten nach rechts offene Positionen, eine verkürzte Kapitalismuskritik und Verschwörungstheorien in die mediale Kritik. Die war den Teilnehmenden an den Aktionen durchaus bekannt. Schließlich haben sich verschiedene Redner auf den Podien immer wieder darüber beklagt, dass die Aktionen angeblich zu unrecht in die rechte Ecke gerückt würden. Sie bekamen dafür viel Applaus.So dürften viele der an der Befragung teilnehmenden Aktivisten auch versucht haben, diesem Eindruck entgegen zu wirken.

Andererseits könnten die an den Montagsmahnwachen teilnehmenden bekannten Mitglieder verschiedener rechten Gruppierungen, Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker die Befragung
schon deshalb abgelehnt haben, weil sie sie für eine weitere Verschwörung hielten. Protestforscher Rucht machte darauf auf der Pressekonferenz aufmerksam: "Es gibt das Bewusstsein für die soziale Nicht-Erwünschtheit bestimmter Antworten – die Leute antworten nicht ehrlich, sind vorsichtig, und das mag auch in dieser Befragung eine Rolle gespielt haben.

Nur leicht codierter Antisemitismus

Deshalb ist es nicht besonders überraschend, dass nur 2,1 Prozent der Befragten der offenantisemitischen Aussage "Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß" zustimmten. 27 Prozent der aussagebereiten Mahnwachenteilnehmer hingegen stimmten der nur leicht codierten antisemitischen Aussage überwiegend oder ganz zu: "Die Zionisten haben sich weltweit an die Hebel der Macht gesetzt und lassen nun Politik, Börse und auch die Medien nach ihrer Pfeife tanzen." Schon seit Jahren wird auch in Kreisen der extremen Rechten der Terminus Zionisten eingesetzt, wenn sie gegen Juden hetzen.

Für mehr als 50 Prozent der Mahnwachenteilnehmer ist die BRD kein souveräner Staat. Der Anteil der Befragten, die sich durch "eine gleichgeschaltete Presse in eine rechte Ecke gestellt" sehen, erhielt den Rekordwert von über 88 %.

Gerade dieses Ergebnis sagt doch viel über den Mangel an Kritikfähigkeit einer Bewegung aus. Es wäre ja eigentlich eine naheliegende Reaktion, sich zu fragen, ob die Kritik an einer Rechtslastigkeit nicht sehr konkrete Gründe hat, weil dort eben Angehörige diverser dieser Gruppierungen entweder als Redner auftreten oder wie bekannte NPD-Vorstandsmitglieder mit Vorankündigung teilnahmen und weder von den Veranstaltern noch den Teilnehmern als unerwünscht abgewiesen wurden, solange sie eben nicht für ihre Organisationen aktiv werben.

Das Reden von der gleichgeschalteten Presse zeigt auch, dass die Kritik an verschwörungstheoretischen Ansätzen in dieser neuen Bewegung in der Studie durchaus eine Grundlage besitzt. Über 50 Prozent sehen zudem das US-Militär als Gehilfen der US-Notenbank FED.

Ein Führer mit der harten Hand

Besonders auffällig ist die große Zustimmung zu der eindeutig antidemokratischen Aussage: "Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland mit starker Hand zum Wohle aller regiert." 19,3 Prozent der Befragten stimmen dieser Aussage vollständig und 14, 5 Prozent überwiegend zu. Damit sind ca. 30 Prozent der Befragten für rechtsautoritäre Alternativen zum bürgerlich-demokratischen System offen. Dass Redner der Berliner Montagsmahnwachen auch für langatmige Ausführungen, die mit dem Anspruch einer Erklärung der Welt verlesen wurden, großen Applaus erhielten, bestätigt diesen Befund.

Dass sich viele der Teilnehmenden trotzdem zur Demokratie im Allgemeinen bekennen, ist kein Widerspruch. Hat doch in diesem Füllbegriff durchaus auch ein demokratisch gewählter autoritärer Herrscher seinen Platz, der bei bestimmten Reizthemen Volksbefragungen ansetzt. Plebiszitäre Elemente haben längst auch schon Rechte als gutes Mittel erkannt, um Abstimmungsmehrheiten gegen Flüchtlinge und Minderheiten zu bekommen.

Anleihen aus der Occupy-Bewegung

39 Prozent der Befragten wollen sich nicht auf einer Links-Rechts-Skala verorten. Links und Rechts werden als "altpolitische Paradigmen" und Bauernfängerphrasen abgelehnt. Dadurch wird auch erklärbar, dass die Teilnahme offen rechter Protagonisten akzeptiert und zumindest nicht offen bekämpft wird, auch wenn man deren Ansichten nicht akzeptiert.

Hier gibt es Parallelen zur Occupy-Bewegung, die eine der Vorläuferbewegungen für die Montagsmahnwachen ist. Die Mobilisierung über das Internet gehört ebenso zu den Gemeinsamkeiten wie das Lamento über Verschwörungen. "Die deutliche Koexistenz linker und rechter Inhalte wird anscheinend kaum als problematisch empfunden. Das Szenario, das
also linke und rechte Positionen integriert, erscheint durchaus plausibel", so die Einschätzung der 5 Autoren der Studie.

Auch wenn die Montagsdemonstrationsbewegung ähnlich kurzlebig wie die Occupy-Bewegung sein sollte, wofür es Anzeichen gibt, könnten die Ergebnisse der Studie für die Bewertung künftiger Bewegungen interessant sein. Denn es ist die Schwäche einer emanzipatorischen Linken und die Irrationalität der kapitalistischen Verfasstheit einer von vielen Menschen nicht mehr durchschauten Gesellschaft, die zu den widersprüchlichen, überwiegend selbst irrationalen und regressiven
Elementen der Opposition führt.