Erste Abmahnwellen wegen veralteter Widerrufsbelehrungen

Seit dem 13. Juni gelten neue Regeln für den Fernabsatz, beispielsweise greifen Änderungen bei der Widerrufsbelehrung. Schon wenige Tage später treten windige Anwälte auf den Plan und mahnen angebliche Verstöße ab.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 285 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Holger Bleich

Seit dem 13. Juni gelten in Deutschland neue Regelungen im Verbraucherrecht, die insbesondere den Online-Handel betreffen. Im Vorfeld haben Rechtsanwälte dem Vernehmen nach bereits Wetten abgeschlossen, wie lange es bis zu den ersten wettbewerbsrechtlichen Abmahnwellen dauert. Und tatsächlich: Bereits am ersten Tag verschickten windige Rechtsanwälte ihre Schreiben an Shop-Betreiber, für die sie natürlich stattliche Gebühren verlangen.

Mehrere Anwälte berichteten parallel in ihren Blogs, dass ihre Mandanten vom Unternehmen "eboxu UG" wettbewerbsrechtlich abgemahnt wurden. Dessen Anwalt Wilfried Jaenecke behauptet in den unprofessionell wirkenden Anschreiben, der Abgemahnte verstoße mit seiner Website "gegen die Richtlinie 2011/83/EU", und dort gegen "Kapitel III Artikel 6 Absatz 1 i". Offenbar wird also der Einsatz einer veralteten Widerrufsbelehrung moniert.

Rechtsanwalt Jaenecke ist augenscheinlich nicht geläufig, dass ein deutscher Shop-Betreiber nur gegen national umgesetzes Recht, nicht aber gegen eine EU-Richtlinie verstoßen kann. Rechtsanwältin Viola Lachenmann, die Mandanten in dem Fall vertritt, hält die Abmahnung in einer ersten Analyse für einen "schlechten Scherz". Es sei nicht einmal klar, woraus der Verstoß nun genau bestehen soll.

Gegenüber heise online erklärte Rechtsanwalt Stephan Schmidt von der Mainzer Kanzlei TCI Rechtsanwälte, dass die Abmahnungen sogar rechtsmissbräuchlich sein könnten: "Betroffene Unternehmer sollten auf keinen Fall die völlig unbestimmte Unterlassungserklärung abgeben, die den Abmahnungen beiliegt. Mit dieser verpflichtet man sich zum Beispiel auch zur Kostenübernahme in unbekannter Höhe." Allerdings sei es nicht ratsam, das Schreiben einfach zu ignorieren, sondern man solle sich im Zweifel rechtlich beraten lassen.

Eine Anfrage, die heise online am Montag, den 16. Juni sowohl der eboxu UG als auch ihrem Rechtsanwalt Jaenecke geschickt hat, blieb unbeantwortet. Auch telefonisch war unter den auf der Abmahnung angegebenen Nummern niemand zu erreichen. Die eboxu UG wurde am 6. Juni, also eine Woche vorm Versand der Abmahnungen, in Bayreuth mit 300 Euro Stammkapital gegründet.

In einer Handelsregister-Bekanntmachung vom 6. Juni waren drei Geschäftsführer mit dem Alter von 21, 23 und 25 Jahren angegeben. Unter der am 10. Juni registrierten Domain eboxu.de betreibt das Unternehmen einen augenscheinlich hektisch und lieblos aufgesetzten Shop mit bizarrer Produktpalette – es deutet einiges darauf hin, dass hier auf schnelles Geld mit Abmahnungen spekuliert wird.

Mittlerweile sind weitere Berichte über Abmahnungen anderer Unternehmen wegen mangelnder Umsetzung der neuen Bestimmungen für den Online-Handel online gegangen. Die Bremer Rechtsanwaltskanzlei Dr. Schenk beispielsweise warnt vor Abmahnungen einer "Werfo Ltd." durch Rechtsanwalt Christoph Dittrich aus Bensheim. Gerügt werde darin die Verwendung einer veralteten (bis zum 12. Juni gültigen) Widerrufsbelehrung. Was Anwalt Schenk auf die Palme bringt: "Ausgesprochen wurde die Abmahnung am 13. Juni 2014, also am ersten Tag der Neuregelung!!!"

[Update 19.06.2014 13:45]

Einer der drei im Handelsregister-Eintrag genannten Geschäftsführer ist nach eigenen Angaben bereits am 11. Juni aus dem Unternehmen ausgeschieden. Als Nachweis dafür legte er heise online eine notarielle Beurkundung vom 11. Juni vor. Er habe von "dieser vermeintlichen Abmahnwelle keine Kenntnis und auch nichts damit zu tun." Dies erklärt, warum im Impressum des Abmahner-Shops nur zwei Geschäftsführer genannt sind.

(hob)