Klassische Taschenspielertricks

Die Energiewende schadet der Umwelt mehr, als dass sie ihr nützt, meint Friedrich Schmidt-Bleek. Stimmt das?

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Die Energiewende schadet der Umwelt mehr, als dass sie ihr nützt, meint Friedrich Schmidt-Bleek. Stimmt das?

Wenn es nach einer Koryphäe der deutschen Ökoforschung geht, ist Deutschlands aktuelles Vorgehen beim Umbau der Stromversorgungs- und Verkehrssysteme der falsche Ansatz. "Die Energiewende schützt die Umwelt nicht und das Klima bestenfalls teilweise", wettert Friedrich Schmidt-Bleek. Um beispielsweise eine Tonne Kupfer, Lithium oder Silizium für Elektroautos oder Solarzellen zu erzeugen, muss ein Mehrfaches an Natur zerstört werden. Deshalb sei der "ökologische Preis" von E-Autos "in der Summe wesentlich höher" als der von Benzin- oder Dieselfahrzeugen.

Diese Worte haben Gewicht, denn der 82-jährige Chemiker ist Mitgründer des renommierten Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Was also ist dran an seinen Vorwürfen?

Für eine Beispielrechnung nimmt er einen 50-Kilowatt-Elektromotor, der allein 45 Kilogramm Kupfer enthalten soll. Daraus errechnet er einen "ökologischen Rucksack" von acht Tonnen. Spare ein E-Auto fünf Liter Sprit pro 100 Kilometern gegenüber einem Verbrenner, entspräche das bei 200 000 Kilometern Laufleistung rund zehn Tonnen – also nur unwesentlich mehr, als allein die Kupferherstellung an Ressourcen verbraucht hat.

Fast ein Zentner Kupfer in einem 50-kW-Maschinchen? Das klingt viel. Der gesamte E-Motor des BMW i3 etwa wiegt nur 50 Kilo und leistet 125 kW. Und den ökologischen Rucksack des Sprits ignoriert Schmidt-Bleek völlig. Dabei verbraucht eine Tonne Diesel bei ihrer Herstellung rund elf Tonnen an Ressourcen, wie es im Anhang nachzulesen ist. Damit sähe der Vergleich schon wieder ganz anders aus. Was Schmidt-Bleek hier macht, ist ein klassischer Taschenspielertrick: Er zieht die sogenannte Systemgrenze einer Ökobilanz in einem Fall sehr weit, im anderen Fall extrem eng – je nachdem, was die eigene These stützt.

Das ist schade, denn ansonsten steht sehr viel Bedenkenswertes in dem Buch. "Die Energiewende ist nicht nur wegen der Vernachlässigung anderer Umweltprobleme unsinnig, sondern auch, weil der enge Zusammenhang des Klimawandels mit der schlechten Ressourcenproduktivität der Wirtschaft überhaupt nicht in Betracht gezogen wird", schimpft Schmidt-Bleek. "Die fast ausschließliche Konzentration aller Umweltschutzbemühungen auf den Klimaschutz stellt eine starke Verengung des Fokus da. Es werden also nur etwa 20 Prozent unserer derzeitigen Umweltprobleme überhaupt in den Blick genommen!"

Er belässt es nicht bei der Diagnose, sondern stellt einen Plan für eine "Ressourcenwende" auf: "Die Ökologisierung der Gesellschaft kann nur gelingen, wenn es sich finanziell lohnt, Ressourcen zu sparen." Also fordert er, diese stärker zu besteuern und Arbeit im Gegenzug zu entlasten. Das würde zwar Jobs in der ressourcenintensiven Industrie kosten, weil deren Produkte teurer würden. Dafür könnten Dienstleistungen wie die Instandhaltung und Reparatur von Gebrauchsgegenständen erschwinglicher werden und so neue Arbeitsplätze schaffen.

"Grüne Lügen. Nichts für die Umwelt, alles fürs Geschäft – wie Politik und Wirtschaft die Welt zugrunde richten", Ludwig, 2014, 304 Seiten, 19,99 Euro (bsc)