Abschiebungshaft nur in gesonderten Einrichtungen

Der Europäische Gerichtshof hat wieder einmal Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik im Detail geübt, doch weitere Verschärfungen sind schon angekündigt

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Künftig müssen Abschiebehäftlinge in gesonderten Einrichtungen untergebracht werden und dürfen nicht gemeinsam mit Strafgefangenen zusammen inhaftiert werden. Das Urteil war erwarten worden. Schon vor einigen Monaten hatten die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter in einem Bericht die Unterbringung von Abschiebehäftlingen in Gefängnissen kritisiert und mahnte eine grundlegende Änderung der Abschiebehaftbedingungen an.

Außerdem hatte der Generalanwalt Yves Bot schon viel früher erklärt, dass die Unterbringung von Flüchtlingen in gewöhnlichen Gefängnissen einen Verstoß gegen die "Menschenwürde von Migranten" darstelle. Da der EuGH in der Regel den Erklärungen des Generalanwalts folgte, hätte die Politik in Deutschland genug Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten. Doch noch immer gibt es mehrere Bundesländer, die keine eigenen Einrichtungen für Flüchtlinge haben und diese mit Strafgefangenen zusammensperren.

Der EuGH hat nun entschieden, dass diese Praxis unter keinen Umständen zulässig ist, selbst dann nicht, wenn Abschiebehäftlinge einen Aufenthalt im Gefängnis wünschen. Die Richter begründeten ihr Urteil damit, dass der Freiheitsentzug der Flüchtlinge keine Strafe sei und sie deshalb in speziellen Einrichtungen untergebracht werden müssen, in denen die "besonderen Bedürfnisse" ihrer Familien und Kinder zu berücksichtigen seien.

Abschiebehäftlinge freilassen

Die Organisation Pro Asyl hat sofort nach der Entscheidung eine Forderung gestellt, die konsequent wäre, wenn man die Begründung des Urteils ernst nimmt. Sie forderte nämlich die Abschiebehäftlinge endlich freizulassen. Denn wieso sollen Menschen, die keine Straftat begangen haben, nur weil sie ihr Recht auf Bewegungsfreiheit wahrnehmen, überhaupt eingesperrt werden? Würde eine Freilassung nicht die besonderen Bedürfnisse ihrer Familien und Kinder wirklich berücksichtigen?

Schließlich bleibt auch eine Sondereinrichtung für Abschiebehäftlinge noch immer ein Gefängnis, solange die Menschen dort eingesperrt sind. Alljährlich gibt die Antirassistische Berlin eine gut belegte Dokumentation über die bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und deren tödliche Folgen heraus.

Dort sind auch immer wieder Fälle von Selbstmorden aufgelistet, die Flüchtlinge nicht nur in Abschiebehaft, sondern auch in Offenen Heimen irgendwo am Rande der Städte verüben. Wieso soll also eine geschlossene Sondereinrichtung dann aus menschenrechtlicher Sicht akzeptabel sein? Allein die Tatsache, dass Flüchtlinge auf eigenen Wunsch lieber in ein Gefängnis als in eine Sondereinrichtung gehen, weil sie dort Kontakt mit Menschen haben, die ihre Sprache sprechen, zeigt auf, dass eben ein besserer Knast keine Lösung ist.

"Dann bleibt einem das Wort Willkommenskultur im Halse stecken"

Man muss darauf achten, wie schnell die zuständigen Länderbehörden das Urteil umsetzen. Doch zum Optimismus in Bezug auf die Flüchtlingsrechte besteht kein Grund. Schließlich sieht ein Referentenentwurf des Bundesinnenministers eine Verschärfung der Regelungen für Asylanten vor. Sie sollen schneller ausgewiesen und auch schneller in Abschiebehaft kommen.

Haft wäre schon dann möglich, wenn jemand "unter Umgehung einer Grenzkontrolle eingereist ist", Identitätspapiere wie Ausweise vernichtet oder "eindeutig unstimmige oder falsche Angaben gemacht hat", wie es im Gesetzentwurf heißt. Der liberale Kolumnist der Süddeutschen Zeitung Heribert Prantl kommentierte die geplanten Gesetzesverschärfungen mit eindeutigen Worten:

Landauf, landab ist derzeit von der "Willkommenskultur" die Rede. Doch beim neuen Gesetzentwurf zur Asylpolitik bleibt einem dieses Wort im Halse stecken. Er ist das Schärfste und Schäbigste, was einem deutschen Ministerium seit langem eingefallen ist.