Soldaten, Spione und der Mond

George Washington Universität veröffentlicht Geheimdokumente zum Mondlandeprogramm

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Zum 45. Jahrestag der Fernsehberichte über eine Mondlandung der NASA hat die George Washington Universität eine Sammlung “Soldiers, Spies, and the Moon“ mit freigegebenen Dokumenten des Militärs und der Geheimdienste ins Netz gestellt. Der Großteil des Materials war bereits veröffentlicht worden, ist jedoch eher speziell Interessierten bekannt.

Projekt Horizon

Ende der 1950er Jahre drängten Army und Air Force die Regierung zur Planung einer militärischen Mondbasis. In ihrem Vorschlag von 1959 hielt die Army eine Basis für 10 bis 20 Soldaten erforderlich, um US-amerikanische Interessen auf Mond zu vertreten. Neben Operationen auf dem Mond selbst hätte sie Relaisstation für den Funkverkehr fungiert. In den 1950er Jahren hielt man für derartiges die Anwesenheit von Menschen für erforderlich, projektierte etwa auch im Erdorbit bemannte Stationen als fliegende Kommandoleitstände. Parallel zur offiziell zivilen NASA baute das Militär das bis vor wenigen Jahren geheime Programm der Astro Spies auf. Die “hochfliegenden“ Pläne militärischer Astronauten erledigten sich mit dem Fortschritt in der Satellitentechnologie, die entsprechende Aufgaben automatisiert oder vom Boden aus kontrolliert ermöglichten und ungliech billiger und sicherer waren.

Lunar Based Earth Bombardment System

Die Air Force des von der Atombombe besessenen Generals Curtis E. LeMay schlug 1960 vor, eine solche Basis zur Stationierung von Nuklearwaffen gegen den eigenen Planeten zu nutzen. Eine solche Basis wäre für die Sowjets mit der damaligen Technologie kaum erreichbar gewesen. Jedenfalls ein Zweitschlag hätte aufgrund der Reisedauer nicht zeitnah abgewendet werden können. Die Pläne sahen auch eine Testreihe nuklearer Explosionen auf dem Mond vor, um die Auswirkungen dort zu studieren. (1958 hatte die Air Force Atombombentests in 20 km und dann in 540 km Höhe durchgeführt, wobei den “Verantwortlichen“ die Funktionsweise etwa der Ozon-Schicht nicht bekannt war.) Ein Projekt, bei dem auch der prominente Physiker Carl Sagan beteiligt war, sah eine Nuklearexplosion auf der Mondoberfläche vor, die in erster Linie zu Propagandazwecken gedacht war.

Die Militarisierung des Alls wurde durch den auf Betreiben von John F. Kennedy geschlossenen Weltraumvertrag beendet, sehr zum Verdruss von Militärs wie Lyman Louis Lemnitzer und Curtis E. LeMay.

Moonbounce

Bereits 1946 hatte das US-Militär damit experimentiert, den Mond als Reflektor für Funkwellen zu nutzen. Ein Jahrzehnt später etablierte man ein System zur verdeckten Kommunikation mit Schiffen. Um ihre Position nicht zu verraten, sandten diese ihre Funksignale Richtung Mond, wo die Funkwellen gestreut reflektiert und von riesigen Schüsselantennen in Cheltenham, Maryland oder auf SIGINT-Schiffen aufgefangen wurden. Während die Tarnung funktionierte, verlief die Signalübertragung jedoch unzuverlässig. Daher gab es Überlegungen, für Spionageschiffe auf dem Mond eine Relaisstation zu platzieren. Derartiges wurde durch ein Netz von Kommunikationssatelliten überflüssig.

Die CIA profitierte jedoch von dem entdeckten Effekt, weil auch sowjetische Signale unfreiwillig vom Mond reflektiert wurden. Zu Lauschzwecken verwendete die CIA eine 45 m messende Antennenschüssel der Stanford Universität in Palo Alto, Kalifornien, die NSA nutzte das Arecibo Ionospheric Observatory in Puerto Rico, die Air Force zog ein eigenes Programm auf, dessen größte Schüssel mit einem Durchmesser von 76 m im englischen Jodrell Bank Radio Observatory stand. Auf diese Weise konnten auch Radarsignale erfasst werden.

Spionage gegen russisches Mondlandeprogramm

Auch auf den Mitbewerber aus Moskau hatte man ein Auge und mehr. So fing die USA etwa die Funkkommunikation mit sowjetischen Sonden und Raumfahrzeugen auf, darunter auch gefunkte Bilder. So sahen die USA der Weltraumhündin Laika zu, waren Zaungäste bei Juri Gagarins historischem Flug und sahen abgewandte Seite des Mondes aus der Perspektive von Lunik III. Eine überwiegend geschwärzteAnalyse der ersten weichen Landung einer sowjetischen Mondsonde impliziert, dass die Geheimdienste Quellen hatten, die noch heute geschützt werden sollen.

Die CIA schreckte nicht einmal davor zurück, eine sowjetische Raumkapsel zu entführen. So hatten die Sowjets 1967 zur Prestigezwecken einen Orbiter auf eine Ausstellungstour durch mehrere Länder geschickt. Während der Messen wurde das Raumschiff 24 Stunden am Tag vom sowjetischen Sicherheitspersonal bewacht. Die CIA erkannte schließlich eine Lücke im Bewachungssystem und nutzt diese nach einer Ausstellung, offenbar in Mexico City. Während die Kapsel abends mit einem Lkw zum Bahnhof transportiert wurde, hielten die Sowjets einen Geleitschutz für entbehrlich. Die CIA stoppte den Transport, tauschte den Fahrer aus und verhüllte die Fracht. Diese wurde auf ein angemietetes Anwesen gefahren und dort die Nacht über ausgiebig untersucht, insbesondere fotografisch. Versiegelte Bereiche wurden geöffnet und mit Duplikaten der Siegel wieder verschlossen. Gegen 5 Uhr nachts setzte der Truck seine Reise fort. Der am Bahnhof wartende Bewacher, der observiert wurde, hatte am Abend vergeblich gewartet und war dann zum Essen gegangen. Um 7 Uhr morgens fand er den Lkw zu seiner Zufriedenheit vor. Anzeichen dafür, dass die Sowjets etwas bemerkt hätten, waren nicht ersichtlich.