Der trampende Roboter HitchBOT und die Wissenschaft: Warum das Ganze?

Ein autonomer Konversations-Roboter durchquert per Anhalter das zweitgrößte Land der Welt. Prof. Frauke Zeller und ihr Kollege David Harris Smith erläuterten heise online die Technik des hitchBOT und den wissenschaftlichen Hintergrund.

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Inhaltsverzeichnis

Diesen Roboter lieben die Kanadier: Der auf Konversation spezialisierte hitchBOT ist dabei, sich per Autostopp von Halifax am Atlantik bis auf die Pazifikinsel Vancouver Island durchzuschlagen. Selbst bewegen kann er nur seinen Arm mit dem ausgestrecktem Daumen. Nach dem gelungenen Start des hitchBOT am Sonntag bat heise online seine Erfinder ins neuschottische Peggy's Cove zum Interview. Es galt zu klären, was sich die Wissenschaftler dabei gedacht haben. "Die Idee ist ziemlich verrückt", gestand Frauke Zeller im Gespräch mit heise online ein.

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Zeller lehrt an der Ryerson-Universität in Toronto. Der hitchBOT ist ihr gemeinsames Projekt mit David Harris Smith von der McMaster-Universität in Hamilton, Ontario. Zur Umsetzung hatten sie kein nennenswertes Budget, aber viele Mithelfer. "Es ist ein multidisziplinäres Projekt", sagte Zeller, "Dazu zählen Kunst, Anthropologie, Sozialwissenschaften samt Kommunikationswissenschaften sowie natürlich verschiedene technische Wissenschaften, wie Mechatronik und Informatik."

"Wir haben zwei Ziele mit diesem Projekt. Wir wollen einerseits die Diskussion in der Gesellschaft anregen, über Technik, Roboter, aber auch unsern Sinn für Sicherheit", erklärte die aus Deutschland stammende Wissenschaftlerin. Schließlich sei Autostoppen als unsicher verschrien.

"Und zum Zweiten: Können Roboter den Menschen vertrauen?" Denn der hitchBOT ist auf seiner Reise völlig auf die Hilfsbereitschaft der Kanadier angewiesen. Darüber hinaus hofft sie auf Erkenntnisse über die Interatkion zwischen Menschen und autonomen Robotern.

Der hitchBOT (13 Bilder)

Zeller und Smith...

...waren zuletzt begehrte Interviewpartner.
(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Das Interesse in Wissenschaftlerkreisen sei groß gewesen: "Andere Forscher sind sofort auf das Projekt aufgesprungen, obwohl wir kein Budget dafür haben", erinnerte sich Zeller. Am Ende waren mehrere Teams am Werk. Konversationsfähigkeiten, Sprachausgabe, Spracherkennung, Wissensverarbeitung, Datenverbindungen, und so weiter mussten erarbeitet werden. Eine Gruppe von Kommunikationswissenschaftlern erstellte unter Zellers Leitung die Medienstrategie.

Auch die Konstruktion aus dauerhaften, aber möglichst geringwertigen Bestandteilen war schwieriger, als es den Anschein hat. "Die unterschiedlichen Spannungen der Verbraucher (Tablet, Arduino, Servomotor und LED-Display) sowie der Stromzufuhr von Steckdosen, Solarzellen sowie Zigarettenanzünderbuchsen in Autos unter einen Hut zu bringen war nicht trivial", berichtete Smith.

Dabei darf der hitchBOT nicht zu schwer werden, muss Regen- und Spritzwasser aushalten, auf unterschiedlichem Untergrund stabil stehen und in einen Kindersitz passen. Dieser Sitz veranlasse die Menschen dazu, den Roboter anzuschnallen, erklärte Smith. Auf Softwareseite war die Fähigkeit zu autonomen Dialogen die größte Hürde. Dabei hilft Cleverscript.

Smith ist die eher Kunst-affine Hälfte des Duos. Er ist selbst mehrmals durch Kanada getrampt und hat sich die rechtliche Lage angesehen: "Auf bestimmten Highways ist Autostoppen verboten. Die Vorschriften variieren, und ihre Durchsetzung auch." In manchen Gebieten sei es nur verboten, auf der Oberfläche der Fahrbahn selbst zu stehen. Direkt daneben sei es erlaubt. "Aber wir sprechen hier nicht über ein menschliches Wesen", wies Smith auf einen entscheidenden Umstand hin. Die Vorschriften gegen Anhalter richten sich an Menschen, nicht an Roboter.

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Außerdem gibt es Gesetze gegen Umweltverschmutzung. Doch der hitchBOT ist kaum mit Müll zu verwechseln. Und seine Eigentümer wollen ihn auch zurück haben. "Das führt uns aber zu der ethischen Frage, ob man Roboter derelinquieren kann", wirft Zeller eine komplexere juristische Frage auf. (Eigentumsrechte aufgeben, Anmerkung.) Das Sachenrecht sieht grundsätzlich vor, dass man Eigentum an einer Sache aufgeben kann. Eine andere Person kann sich diese Sache dann aneignen.

Auf autonom tätige Roboter ohne Eigentümer und die Folgen ihrer Taten ist das Recht aber nicht vorbereitet. Wem stehen die Früchte seiner Arbeit zu? Wer zahlt, wenn ein Roboter schwarzfährt? Oder Strom abzapft? Von schadenersatz- und vertragsrechtlichen Fragen ganz zu schweigen. Smith erinnerte im Gespräch an die rechtliche Situation bei menschlichem Nachwuchs: "Die Eltern sind für ihre Kinder verantwortlich, bis zu einem gewissen Alter." Ihre Eigenverantwortung nimmt zu, je eigenständiger sie werden.

Sollen wir das bei Robotern ähnlich halten? Oder genau umgekehrt – je autonomer und eigenmächtiger eine Maschine ist, desto stärker muss ihr Eigentümer sie überwachen? Auch solche Diskussion will das hitchBOT-Projekt anregen.

Das hitchBOT-Team lädt zum Nachmachen ein: Die Software des hitchBOT wurde auf GitHub veröffentlicht. Eine zukünftige Version des Roboters wird vielleicht sogar zweisprachig sein. Zeller würde das Experiment gerne wiederholen. Dann mit einem Budget, das einen mächtigeren hitchBOT II ermöglicht. Und gerne auch einmal in Deutschland, obwohl sie meint: "Deutschland denkt mehr problemorientiert als Kanada." Sie ist keineswegs sicher, dass ein hitchBOT zwischen Rhein und Oder ähnlich enthusiastisch aufgenommen würde, wie zwischen Atlantik und Pazifik.

Neben den genannten Universitäten sind am Projekt auch die Universitäten Toronto sowie NSCAD in Halifax beteiligt. Dazu kommen, neben einigen Unternehmen, das Künstlerzentrum Open Space auf Vancouver Island sowie das Toronto Rehabilitation Institute. Denn Roboter könnten in der Reha-Arbeit mit Verletzten und Senioren eine große Zukunft haben. (jk)