Gamescom: Das Mandelbrot-Universum von No Man's Sky

Wie kann man mit nur einem zehn Mann großen Team ein quasi unendlich großes Spiel erschaffen? Hello Games gibt die Antwort mit seinem prozeduralen Science-Fiction-Spiel No Man's Sky.

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Hello Games will No Man's Sky zu einem waren Science-Fiction-Spiel machen, in dem Spieler riesige unbekannte Weltern erkunden.

(Bild: Hello Games)

Dass Sony auf seiner E3-Pressekonferenz das Indie-Spiel No Man's Sky so in den Fokus rückte und das Spiel nun auch auf dem Cover des Edge Magazins in Großbritannien landete, scheint dem Entwickler und Studio-Mitbegründer Sean Murray fast peinlich zu sein. Früher hat er für EA bei den Criterion Studios gearbeitet, jedes Jahr mit einer 200 Mann Crew einen Blockbuster nach dem anderen produziert, erzählt er auf der Gamescom in Köln. Doch dieses "Hochreißen von Wolkenkratzern" war nicht die Arbeitsweise, die Murray sich vorstellte. Also gründete er vor sechs Jahren Hello Games, um Spiele wie "kleine, feine Architekturen" zu entwickeln.

Joe Danger war das erste Projekt des Studios, ein Motorrad-Stunt-Spiel: klein, lustig, professionell produziert, kommerziell erfolgreich und ein Liebling der Kritiker. Doch die Entwickler wollten immer ein Spiel wie No Man's Sky machen, ihr "Projekt Skyscraper" wie sie es nannten. Riesig in seinen Ambitionen, sodass es für ein kleines Vier-Mann-Studio eigentlich nicht zu stemmen wäre. Doch statt hunderte von Grafikern, Animateuren, Audio-Spezialisten, Level-Designern und Programmierern anzuheuern, setzten sie auf mathematische Formeln. Diese erledigen die Arbeit für sie und machen aus No Man's Sky ein riesiges Universum, dass kein Studio der Welt am Reißbrett entwerfen könnte.

In No Man's Sky startet der Spieler als armer Raumfahrer mit nur einem kleinen Schiff am Rande der Galaxis. Er will zu dessen Zentrum vordringen, wo größere Reichtümer, aber auch Herausforderungen auf ihn warten. Also muss er die nächsten Planeten abklappern, Ressourcen abbauen, Handel treiben, sich vielleicht als Pirat das eine oder andere Schiff unter den Nagel reißen. So sammelt er Geld für besser Raumanzüge, neue Kanonen für sein Schiff, bis er sich einen Warp-Antrieb leisten kann, mit dem er tiefer ins Zentrum der Galaxie vorstößt.

Die Planeten berechnet Hello Games aus prozeduralen Formeln. Sie bilden grobe Kontinent-Strukturen, Berge und Täler, Höhlensysteme, verästeln sich zu kleinen Strukturen, Bäume und Pflanzen, bis zur Fauna, bunte Alien-Tiere und Dino-Herden – so wie man es von einem Mandelbrot-Männchen kennt. Alle Elemente werden aus einer einzigen 64-Bit-Zahl errechnet. Jede Zahl bildet einen anderen Planeten ab und dieser lässt sich aus ihr eindeutig rekonstruieren. Die Welt um den Spieler herum wird in dem Moment berechnet, indem er mit dem Raumschiff zu ihr reist, und verschwindet wieder, wenn er sie verlässt.

Doch er ist nicht der Einzige, der das Universum von No Man's Sky erforscht. Hello Games führt alle Spieler online zusammen. Anfangs ist das gesamte Universum noch unerforscht. Nach und nach entdecken die Spieler die Planeten. 2^64, also über 18 Trillionen verschiedene Planeten gibt es in No Man's Sky. Ihre Entdeckungen sehen auch die anderen Spieler auf der Sternenkarte. Doch selbst, wer das Spiel erst in einigen Jahren zum ersten Mal startet, wird noch ein quasi unerforschtes Universum vorfinden, dazu teilt Hello Games das Universum in Sektionen ein. Natürlich könne man No Man's Sky auch offline spielen. Das sei aber nicht das Prinzip des Spiels, denn es gehe darum, das Universum mit anderen gemeinsam zu erkunden und seine Forschung zu teilen. Die eigenen Entdeckungen würden deshalb auf dem Server mit anderen abgeglichen, wenn man später wieder online geht.

Eine typische Story mit Missionen und Zwischensequenzen sei nicht geplant. Hello Games orientiert sich eher an Vorbildern wie Minecraft oder Day-Z, in denen Spieler ihre eigenen Geschichten erfinden, wie sie immer tiefer zum Zentrum vordringen, auf dem Weg immer mächtiger werden und größere Gegner bewältigen.

Vergleiche zu anderen Spielen sind schwierig: Spore und Privateer treffen sich in einer Mandelbrot-Welt, so könnte man No Man's Sky wohl am ehesten beschreiben.

(Bild: Hello Games)

Grafisch sieht die bunte Welt großartig aus. Die Planetenoberflächen zeigen neben bunten organischen Landschaften auch verschiedene Wetter-Effekte. An prozedural gestalteten Raum- und Handelsstationen könne man Handel mit anderen treiben, im Weltraum Schlachten führen. Allerdings sei das Spiel keine Weltraum-Handelssimulation wie Privateer, sonders es gehe im Wesentlichen darum, Welten zu erforschen, die zuvor kein Mensch gesehen hat -- nicht einmal die Entwickler selbst.

Murray versucht immer wieder, die Erwartungen herunterzuschrauben. "Ihr werdet enttäuscht sein." sagt er seinem Publikum. Die Präsentation sah ganz und gar nicht danach aus, wenn auch der Fokus des Spiels noch immer unscharf ist. Aber das war er bei Minecraft ja anfangs auch, bis aus dem riesigen Lego-Spiel ein Massenphänomen wurde. So steht es auch No Man's Sky frei, ein Flop oder ein Hit werden. Man wird sehen, ob die berechneten Planeten tatsächlich so unterschiedlich sind und genügend Überraschungen bereit halten, dass Spieler sie alle erforschen wollen. Neben der PS4 wird es im kommenden Jahr wohl noch auf anderen Plattformen erscheinen. Welche dies sein werden (Wikipedia spricht von Windows, die offizielle Webseite schweigt sich aus), steht noch nicht fest. (hag)