Russland-Sanktionen lassen deutsche Wirtschaft schrumpfen

Für den Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,2 % ist vor allem der Außenhandel verantwortlich

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Wie zu erwarten war, musste das Statistische Bundesamt am Donnerstag melden, dass die deutsche Wirtschaft absackt: "Die deutsche Wirtschaft verliert an Schwung: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging im zweiten Quartal 2014 – preis-, saison- und kalenderbereinigt – um 0,2 % gegenüber dem Vorquartal zurück."

Fünf Quartale in Folge war sie gewachsen, zuletzt schrumpfte sie im ersten Quartal 2013. Angesichts der Eskalation, Russland-Sanktionen, Gegenmaßnahmen und der Tatsache, dass die EU weltweit mit Drohungen gegen Schwellenländer diplomatisches Porzellan zerschlägt, wird es wahrscheinlicher, dass auch Deutschland und damit die Eurozone in die dritte Rezession in nur wenigen Jahren zurückrutscht. Im Euroraum wurde geschätzt, dass die Wirtschaft nun stagniert, nachdem sie zuvor um 0,2% gewachsen ist.

Würde man die Wortwahl benutzen, zu der deutsche Medien greifen, wenn sie von Spuren sprechen, welche die Sanktionen gegen Russland schon hinterlassen haben, dann müsste man sagen, dass die deutsche Wirtschaft abgestürzt ist. Denn es wurde schon von einer abstürzenden russischen Wirtschaft gesprochen, obwohl diese im zweiten Quartal nur langsamer gewachsen ist. Doch im deutschen Fall hält sich Die Zeit zurück und schreibt neutral: "Deutsche Wirtschaft schrumpft um 0,2 Prozent."

Destatis macht für den BIP-Rückgang den Außenhandel und Investitionen verantwortlich: "Die Exporte stiegen im Vorquartalsvergleich weniger stark als die Importe, sodass sich der Außenbeitrag (Exporte minus Importe) negativ auf die deutsche Wirtschaftsentwicklung auswirkte." Beides kann als Auswirkungen der Sanktionen gewertet werden. Angesichts steigender Unsicherheit wird weniger investiert. Schon die Sanktionsankündigungen gegen Russland, erwartete Sanktionen und Gegenmaßnahmen haben für sinkende Exporte gesorgt.

Und das dicke Ende kommt noch, da der von Russland als Reaktion ausgesprochene Importstopp nun gerade erst zu wirken beginnt. Wie längst erwartet, haben sich breite Bereiche in Russland neu orientiert. Der Deutsche Stefan Dürr, der in Russland den größten Milchkonzern leitet, spricht von einem "Super-Gau". Er macht deutlich, dass die Sanktionen und der Importstopp niemanden überrascht haben: "In Russland haben alle darauf gewartet, dass die Regierung mit Gegenmaßnahmen auf die Sanktionen der EU und der USA antwortet."

Dürr hat Präsident Putin sogar dazu geraten, weil er sich "intensiv für die deutsch-russischen Beziehungen einsetze". Dort werde derzeit "so viel Porzellan zerschlagen". Er hofft, "dass Gegenmaßnahmen dem Westen vor Augen führen, wie stark man in vielen Bereichen voneinander abhängig ist". Er meint, der Westen trage die Hauptschuld für die Eskalation, weil Öl ins Feuer gegossen werde. Der Importstopp gebe der russischen Landwirtschaft nun die Chance, sich in einer geschützten Übergangszeit zu entwickeln.

Dass Maschinen wegen fehlender Ersatzteile und Support nun nicht mehr repariert werden könnten, habe schon im Vorfeld zum Umdenken geführt. Verstärkt würde auf Maschinen aus Russland oder China gesetzt und diese Entwicklung sei durch die Sanktionen nur massiv beschleunigt worden. "Ich weiß nicht, ob dem Westen wirklich klar ist, welche Türen er in Russland durch die Strafmaßnahmen für chinesische Unternehmen öffnet."

Das gilt nicht nur für Russland. Das unsägliche Vorgehen, nun auch in Südamerika und darüber hinaus Regierungen zu drohen, die angesichts des russischen Importstopps die Lieferungen übernehmen wollen, die Russland nicht mehr in der EU, USA, Kanada und Norwegen kauft, ist wie das Auftreten des Elefanten im Porzellanladen. Klar ist, dass die Brics-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) längst umsteuern auf einen verstärkten Handel untereinander, in dem auch der Dollar als Zahlungsmittel abgeschafft werden soll. Sie greifen den US-Dollar als Leitwährung mit praktischen Schritten an. Die Sanktionen werden nun den Vorgang beschleunigen.

Vermutlich werden einige Unternehmensvertreter und Verbandssprecher ihre Worte angesichts der Tatsache schon bereuen, dass die deutsche Wirtschaft bereits schrumpft, bevor Sanktionen und Gegenmaßnahmen ausgerufen wurden. Sie hatten sich hinter die Sanktionen gestellt und erklärt, sie seien wegen des geringen Exportvolumens leicht zu verkraften. Wechselwirkungen und Rückkopplungseffekte blieben dabei weitgehend unbeachtet. Sogar die Europäische Zentralbank (EZB) warnte kürzlich vor "geopolitischen Risiken" für den Euroraum angesichts der Sanktionsspirale.