Belgiens und Frankreichs Atomstromversorgung in Gefahr

Belgien musste nun den dritten Atommeiler abschalten, womit ein Viertel der gesamten Stromproduktion ausfällt

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Vor dem Winter befürchten die Behörden in Belgien um die Stromversorgung. Da vergangene Woche nun auch Block 4 im Atomkraftwerk Doel bei Antwerpen abgeschaltet wurde, fehlen dem Land nun mehr als 25% der gesamten Stromproduktion. Denn 3000 von 5700 Megawatt der Atomstromkapazität sind derzeit abgeschaltet. Wenn alle Meiler laufen, dann liefern sie etwa die Hälfte des gesamten Stroms.

AKW Doel. Bild: Alexandre Jacquemin/CC BY-SA 3.0 (Bild: [Link auf http://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Doel#mediaviewer/Datei:Centrale_nucl%C3%A9aire_de_Doel.JPG] )

Schon im März waren erneut die beiden Reaktorblöcke Doel 3 und Tihange 2 abgeschaltet worden, die schon 2012 vom Netz gingen. Damals sollen Haarrisse im Reaktorbehälter entdeckt worden sein. Allerdings wurde später berichtet, dass diese Risse schon seit 1979 bekannt waren.

Angesichts einer prekären Stromversorgung waren die beiden baugleichen Doel 3- und Tihange 2-Meiler trotz der Probleme nach gut einem Jahr wieder hochgefahren worden. Erneut wurden sie im Frühjahr abgeschaltet. Tests im Forschungsreaktor Mol, die am verwendeten Material dieser Reaktorbehälter durchgeführt wurden, hätten "unerwartete Resultate" bezüglich der mechanischen Resistenz am zentralen Teil des Reaktors erbracht. Nun sollen neue Tests gemacht werden.

Nach Angaben der Behörden soll die Abschaltung von Block 4 in Doel allerdings auf Sabotage zurückgehen. Mit 65.000 von 90.000 Litern sei ein großer Teil des Schmieröls in einer Hochdruckturbine ausgelaufen, was zu ihrer Überhitzung geführt habe. Der Reaktor musste per Schnellabschaltung vom Netz genommen werden. Das Ablassen könne nur manuell durch Öffnen eines großen Ventils durchgeführt werden, weshalb nun die Staatsanwaltschaft ermittelt und Beschäftigte vernimmt.

Der Block wird mindestens bis zum Jahresende ausfallen. Unklar bleibt vorerst, ob die beiden Meiler mit den Rissen im Reaktorbehälter, die sogar bis an den Rand des Behälters gehen, wieder ans Netz gehen können. Ratsam ist das sicher nicht. Bleiben sie dauerhaft abgeschaltet, käme die bisher auf Atomstrom ausgerichtete Produktion in Belgien durcheinander. Denn zudem sollen die altersschwachen Blöcke 1 und 2 in Doel nach 40 Jahren 2015 stillgelegt werden. Über eine Laufzeitverlängerung wird aber schon nachgedacht.

"Die Situation ist angespannt und wird nach und nach komplizierter werden, wenn der Winter kommt und die Temperaturen fallen", sagte die Staatssekretärin für Energie, Catherine Fonck, nach Angaben der Nachrichtenagentur Belga. An einem Notfallplan für eventuelle Versorgungsengpässe wird schon gearbeitet.

Belgien ist nicht das einzige Atomstromland, das derzeit Probleme hat. So musste die französische EDF gerade vier Atommeiler in Großbritannien vom Netz nehmen, weil sich ein Defekt im Kesselsystem bestätigt hatte. Nun könnte das auch Frankreich hart treffen. Denn sollten Risse, die im Dampferzeuger in Großbritannien festgestellt wurden, auch bei baugleichen französischen Meilern gefunden werden, müssten dort eventuell mehr als ein Dutzend Atomreaktoren abgeschaltet werden. Die französische Atomaufsichtsbehörde rät bereits, für Ersatzkapazitäten zu sorgen. Man beachte, dass das Land, das sogar fast 80% seines Stroms aus Atomkraftwerken bezieht, schon im Winter 2012 vor dem Blackout stand.