EuGH: Satire darf doch nicht alles

Urheber müssen keine diskriminierende Entstellung ihres Werks hinnehmen

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Kurt Tucholskys Ansicht zu der Frage, was Satire dürfe, nämlich alles, gilt auch 95 Jahre später nur eingeschränkt. Nicht von ungefähr ist ein bekanntes deutsches Satiremagazin, das regelmäßig die Grenzen schlechten Geschmacks auslotet, Deutschlands "am meisten verbotenste" Publikation.

Nunmehr zog der Europäische Gerichtshof anlässlich eines belgischen Falles Grenzen, wenn urheberrechtlich geschütztes Material in einer Weise verändert wird, die dem parodierten Original eine diskriminierende Aussage unterschiebt. Geklagt hatten die Erben und Rechteinhaber eines beliebten Comic-Zeichners, die das Werk durch einen Politiker einer rechtspopulistischen Partei missbraucht sahen. So hatte der Rechtspopulist ein Titelbild des Zeichners Willy Vandersteen "De Wilde Weldoener" parodiert, bei dem eine in eine Toga gekleidete schwebende Figur Münzen unter die Leute wirft. Bei der dem Werk erkennbar nachempfundenen Zeichnung, die auch mit dem gleichen Titel überschrieben war, stellte die Figur den Bürgermeister von Gent dar, der das Geld dunkelhäutigen mit Turbanen und Burka bekleideten Personen und deren lachenden Kindern zuwarf, zum Verdruß zweier hellhäutiger wohl belgischer Kinder. Das Pamphlet hatte der selbsternannte Satiriker beim Neujahrsempfang 2011 der Stadt Gent verteilt.

Die erstie Instanz bewertete das Corpus Delicti als Parodie und sah es damit als von der Meinungsfreiheit geschützt an. Der Berufungsgerichtshof legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof vor, von dem er sich europarechtskonforme Vorgaben für die rechtliche Einordnung von Parodien erhoffte, da die Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft betroffen sei.

Der Europäische Gerichtshof ließ heute in seiner Pressemitteilung wissen, dass die wesentlichen Merkmale der Parodie darin bestünden, an ein bestehendes Werk zu erinnern, von dem sie sich wahrnehmbar unterscheiden müsse. Zudem müsse es einen Ausdruck von Humor oder eine Verspottung darstellen. Hingegen müsse eine Parodie keinen anderen eigenen ursprünglichen Charakter haben als den, gegenüber dem parodierten ursprünglichen Werk wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen. Auch sei es weder erforderlich, dass sie einer anderen Person als dem Urheber des ursprünglichen Werkes zugeschrieben werden könne, noch dass sie das ursprüngliche Werk selbst beträfe oder das parodierte Werk angebe.

Allerdings sei ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen und Rechten der Urheber und anderen Rechteinhaber und dem Interesse auf freie Meinungsäußerung des Parodisten zu wahren. Ein solch schützenswertes Interesse bestehe dann, wenn eine Parodie eine diskriminierende Aussage vermittle, was bei Ersetzung von Figuren durch solche mit bestimmten äußerlichen Merkmalen der Fall sein könne. Hier bestehe ein berechtigtes Interesse der Rechteinhaber daran, dass ihr Werk nicht mit einer solchen Aussage in Verbindung gebracht werde. Damit gab der EuGH dem vorlegenden Gericht zu verstehen, dass er bei Rassismus auch bei Parodien wenig Spaß verstehe.

Gegen politische Vereinnahmung hatte sich stets auch Asterix erwehrt. Im deutschen Urheberrechtsgesetz ist für solche Fälle eigens ein Entstellungsverbot vorgesehen. Auch hierzulande mussten sich Kreative gegen Vereinnahmung durch Rechspopulisten wehren, etwa Hape Kerkeling, der im vorletzten Bundestagswahlkampf einer einfältigen Kandidatin eine Nutzung seiner Figur "Horst Schlämmer" ("Isch kandidiere") verbieten ließ. Derzeit streiten sich Musiker mit der AfD, weil diese bei politischen Veranstaltungen deren Werke nutzen.