Atom: Der ganz normale Pfusch

Wieder einmal wurde in Deutschland beim Umgang mit hochradioaktivem Material geschlampt. In Japan startet derweil die Regierung ein neues Manöver, um einen Teil der dortigen AKW wieder ans Netz zu bringen

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Nach einem Bericht des Norddeutschen Rundfunks hat die Bundesanstalt für Materialforschung 44 sogenannte Castor-Behältern für hochradioaktiven Müll zurückgerufen. Sie sollen noch einmal zum Hersteller, der Gesellschaft für Nukleare Sicherheit, weil Teile der Behälter nicht ausreichend geprüft worden seien. In vier Fällen käme der Rückruf aber zu spät, da sie bereits mit abgebrannten Brennelementen befüllt seien.

Die Bundesanstalt findet das Ganze scheinbar nicht weiter erwähnenswert. Auf ihrer Presseseite findet sich kein Hinweis auf den Vorgang. Auch beim für Reaktorsicherheit zuständigen Bundesumweltministerium sucht man vergebens. Deutlich anders sieht es erwartungsgemäß die Anti-Atom-Kampagnenorganisation .ausgestrahlt:

"Ich traue der Atomwirtschaft ja so einige Ungereimtheiten zu. Aber ich hätte nicht erwartet, dass jetzt selbst schon bei der Produktion von Castor-Behältern simpelste Qualitätsvorschriften nicht eingehalten werden. Schließlich werden in diesen Containern die gefährlichsten Stoffe aufbewahrt, die die Menschheit jemals produziert hat. In einem einzigen Castor ist 200 mal mehr radioaktives Potential als im ganzen havarierten Atommüll-Lager Asse."
Jochen Stay, .ausgestrahlt

Derlei kommt vor, mag man da einwenden. Pfusch gibt es überall wo Menschen arbeiten: Im Wohnungsbau, in der Automobilproduktion und eben auch in der Atowirtschaft. Kein Mensch ist perfekt, und je höher Zeit- und Erfolgsdruck sind, desto größer auch die Wahrscheinlichkeit, dass Fehler gemacht werden. Der Unterschied ist allerdings, dass die Folgen beim Umgang mit hochradioaktiven Materialien ungleich gravierender sind. Man sollte sie gar nicht erst produzieren.

Derweil ist aus Japan zu hören, dass die dortige extrem konservative Regierung die ältesten Atommeiler des Landes dauerhaft stilllegen will. Die sind allerdings ohnehin derzeit abgeschaltet. Die 48 noch funktionsfähigen Reaktoren des Landes haben 2013 nach Angaben der Internationalen Atomenergieagentur gerade 1,27 Prozent zur japanischen Stromversorgung beigetragen. Nach dem Reaktorunglück in Fukushima im März 2011 waren die meisten Reaktoren zunächst vorübergehend abgeschaltet oder in den folgenden Monaten nach der regulären jährlichen Revision nicht wieder hochgefahren worden.

Ist also die Regierung Shinzo Abes, die sich bisher nicht einmal richtig um die Fukushima-Opfer kümmert, endlich zur Vernunft gekommen? Im Gegenteil. Da die Mehrheit der Japaner weiter gegen den Neustart von Reaktoren ist, hofft Abe, mit diesem Zugeständnis politische Luft für das Wiederanfahren jüngerer AKW zu bekommen.