Endlich mit dem Handy ins Krankenhaus

Selbst im sicherheitsbewussten Japan schwindet die Angst vor Mobiltelefonen in Spitälern. Neue Richtlinien erlauben ihre Benutzung fast überall.

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Von
  • Martin Kölling

Selbst im sicherheitsbewussten Japan schwindet die Angst vor Mobiltelefonen in Spitälern. Neue Richtlinien erlauben ihre Benutzung fast überall.

Eine der am häufigsten missachteten Regeln in der Welt dürften Handy-Verbote in Krankenhäusern sein. Auch in Japan ist ihre Benutzung stark eingeschränkt. Denn die Verwaltungen der Spitäler sorgen sich unter anderem, dass die Strahlung der mobilen Geräte Krankenhausgeräte beeinflussen könnte.

Als ich kürzlich in einem Warteraum das Handy für ein tonloses Spiel benutzte, wurde ich sogar von einem Wächter ermahnt, dies doch bitte zu unterlassen (obwohl ich gar kein Handy-Verbotsschild gesehen hatte). Doch natürlich sind diese Verbote in einer Zeit nutzlos, in der Smartphones für manchen zu einem Lebensmittelpunkt geworden sind. Meine Sitznachbarin nutzte ihr Gerät nach einer Schamminute weiter.

In Zukunft dürfen wir unsere Geräte in Japan wahrscheinlich ganz offen benutzen, wenigstens wenn es nach einem Experten-Ausschuss geht. Die nationale Konferenz für elektromagnetische Kompatibilität sieht mobile Geräte nun als problemlos an, wenn sie mehr als einen Meter Abstand von medizinischen Gerätschaften halten. Nach den Richtlinien der Experten sollen die Menschen künftig auf Fluren, in Fahrstuhllobbys und Restaurantbereichen sowohl telefonieren als auch SMS versenden können. Ansonsten sorgen eher gute Sitten für Einschränkungen als technische Gründe.

In Zimmern und auf den Stationen sollen Telefongespräche mit Einschränkungen möglich sein, das Browsen im Web hingegen uneingeschränkt. Man möge sich bitte manierlich verhalten und an die anderen Patienten denken, raten die Experten. In Behandlungszimmern dürfen Telefone eingeschaltet bleiben. Telefonieren soll hier aber nicht erlaubt werden – schließlich sollen die Patienten mit den Ärzten sprechen. Immerhin ist die Internet-Nutzung eine Option. Der Patient kann also online auch mal eine Zweitdiagnose vornehmen. Immer ausgeschaltet werden müssen Handys künftig nur noch in Operationsräumen, Labors und auf Intensivstationen.

Für mich sieht dies nach einer sehr vernünftigen Lösung aus. Die Handy-Verbote werden ja schon jetzt dermaßen stark unterlaufen, dass es in Krankenhäusern zu Massensterben hätte kommen müssen, wenn die mobilen Geräte wirklich so schädlich wären wie befürchtet. Nur an einem Punkt stemmen sich die Experten gegen den Trend – und hier wieder nicht aus technischen Gründen: Fotos und Videos sollen insgesamt untersagt werden, um die Privatsphäre und die Daten der Patienten zu schützen.

Das hört sich so vernünftig wie zwecklos an. Sicherlich ist der Schutz der Privatsphäre ein verdammt hohes Gut. Aber die Menschen selbst verzichten ja selbst oft darauf und teilen ihre Ansichten, ihre Launen und die ihrer Kinder und Kindeskinder munter mit der Welt. Und Freunde laden ungefragt Bilder anderer auf Facebook hoch.

Bei der heutigen Mode, sich selbst oder das Essen zu fotografieren und online zu stellen, wage ich daher zu bezweifeln, dass dieses Verbot wirklich auch im Krankenhaus eingehalten wird. Aber vielleicht dienen die Hinweise ja als Anstoß, das persönliche Mitteilungsbedürfnis zu überdenken. Dann wäre die Regel wenigstens etwas wert. (bsc)