Bundesregierung will die Datenhoheit der Arbeitnehmer sichern

Das Bundeswirtschaftsministerium und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wollen dafür sorgen, dass Geschäfts- und Arbeitsprozesse die informationelle Selbstbestimmung gewährleisten.

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Die Bundesregierung und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi haben ihre jahrelange Funkstille rund um gemeinsame politische Vorhaben beendet. Zum Abschluss des Kongresses "Arbeitswelt, Selbstbestimmung und Demokratie im digitalen Zeitalter" in Berlin haben sie eine gemeinsame Erklärung für "gute Arbeit" im digitalen Zeitalter veröffentlicht.

"Geschäfts- und Arbeitsprozesse dürfen die Persönlichkeitsrechte nicht gefährden", heißt es darin. Sie sollten vielmehr "von vornherein daran ausgerichtet sein, die informationelle Selbstbestimmung zu gewährleisten." Eine systematische Wirtschafts- und Dienstleistungspolitik müsse die über den technologischen Wandel getriebenen Veränderungen auch im Sinne der Beschäftigten und der Verbraucher gestalten. Die wirtschaftliche Nachfrage nach Fachkräften müsse durch "gezielte Aus- und Weiterbildung" gedeckt werden.

Brigitte Zypries

(Bild: Stefan Krempl / heise online)

Die wachsenden Möglichkeiten der Digitalisierung könnten genutzt werden, um Beschäftigte "auf Schritt und Tritt zu verfolgen", warnte die parlamentarische Wirtschaftsstaatssekretärin Brigitte Zypries. Neue digitale Geschäftsmodelle wie Crowdsourcing griffen "auf dem Wege der Selbstausbeutung" bestehende Märkte etwa bei der Personenbeförderung, in der Logistik oder beim technischen Service an, in denen sich Gewerkschaften und Arbeitgeber zuvor auf angemessene Bedingungen verständigt hatten.

Wichtig sei es daher, mit Beschäftigtenvertretern eine gemeinsame Strategie zu finden für eine "gute Digitalisierungspolitik", betonte die SPD-Politikerin. Zum Kernbereich der vernetzten Arbeitswelt werde im nächsten Jahr ein "Branchendialog zur Dienstleistungswirtschaft" aufgenommen. Auch sei im neuen Etat bereits ein begleitendes Forschungsprojekt vorgesehen.

Alexander Dix (l.) und Andy Müller-Maguhn

(Bild: Stefan Krempl / heise online)

Es bedürfe einer gezielten gestalterischen Initiative, sonst drohe ein "bedrückendes Kontrollregime bei der Arbeit", ergänzte der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske. Um die Vertraulichkeit der Kommunikation zu sichern und um andere Grundrechte zu wahren müsse der Staat einfach nutzbare Anonymisierungs- und Verschlüsselungsverfahren fördern.

Zuvor hatte der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix von einem "technischen Gebot der Verschlüsselung" gesprochen. Öffentliche Stellen seien genauso wie etwa Gewerkschaften verpflichtet, Bürgern und Mitgliedern sichere Kommunikationskanäle zumindest anzubieten.

Jacob Appelbaum

(Bild: Stefan Krempl / heise online)

Die bestehenden kryptographischen Werkzeuge seien "unglaublich schlecht und kompliziert", monierte Andy Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club (CCC). Die Wau-Holland-Stiftung arbeite derzeit in Kooperation mit weiteren Organisationen an einer "gemeinnützigen GmbH", die einfach bedienbare Nutzerschnittstellen für Datenschutztools entwickeln werde.

Die Technik reiche aber nicht aus, um die Privatsphäre zu sichern, da Geheimdienste einen "Krieg" gegen diese führten, befand der Netzaktivist Jacob Appelbaum. Es sei wichtig, sich im Sinne der Effizienz gemeinsam mit vielen zu organisieren und für gesetzliche Absicherungen zu kämpfen. Appelbaum erinnerte daran, dass Arbeiterzusammenschlüsse zu den ersten zivilgesellschaftlichen Bewegungen gegen den Überwachungsstaat zählten. Ohne sie würde die Kommunikation in der Arbeitswelt sicher schon längst von der Firmenführung flächendeckend unter dem Aufhänger der "Qualitätssicherung" überwacht. Er sei daher schon bald nach seinem Umzug aus den USA nach Berlin Verdi beigetreten. (anw)